Bischöfe thematisieren zum Jahresabschluss den Missbrauchsskandal

Jahr des Schreckens endet

Der Kölner Kardinal Joachim Meisner hat 2010 als Jahr des Schreckens, als "annus terribilis" für die katholische Kirche bezeichnet. Dabei bezog er sich in seiner Predigt am Silvesterabend im Kölner Dom vor allem auf die Missbrauchsdebatte. Auch weitere deutsche Bischöfe nahmen sich des Themas in ihren Predigten an.

 (DR)

Gleichzeitig aber sei es auch ein Jahr der Gnade gewesen, so der Kölner Kardinal: "Wenn aus einem Körper die Krankheitsherde entfernt werden, dann entsteht die Chance zu einer baldigen Genesung und zu einem Erstarken der Vitalität."



Für das neue Jahr 2011 rief Meisner die Menschen zu innerer Einkehr und zur Rückbesinnung auf den Glauben auf. So könnten sie ihr Leben gestalten und Kraft schöpfen. Das Christentum halte für Gläubige drei "Garantiescheine" bereit: den Taufschein als Dokument ihrer Erwählung, das Erstkommunionzeugnis als Dokument der Einheit mit Christus und den anderen Gläubigen und die Firmurkunde als Dokument der Hoffnung für die Kirche. Alle drei solle man sich immer vor Augen halten. "Sie sind ein Hinweis, die verborgenen Schätze Gottes in uns zu heben und sie fruchtbar für die 365 Tage des Jahres 2011 zu machen."



In seinem Rückblick hob der Kardinal neben den Missbrauchsfällen aber auch einige positive Ereignisse hervor. Insbesondere nannte er die Kar- und Osterfeiertage 2010. "Mit tiefer Ergriffenheit darf ich bekennen, dass noch nie in meiner 22-jährigen Tätigkeit als Erzbischof von Köln die Gottesdienste quantitativ und qualitativ - wenn man so sagen darf - so gut besucht waren." Das erfülle ihn mit großer Dankbarkeit.



Gleichzeitig erinnerte Meisner an die Domwallfahrt im September, an der rund 52.000 Pilger teilgenommen hatten, an den fünften Jahrestag des Weltjugendtags in Köln sowie die Priesterwallfahrten anlässlich des von Papst Benedikt XVI. ausgerufenen Priesterjahres. Er sei überzeugt, dass die 17 neuen Priesteramtskandidaten im Erzbistum "ein Geschenk des intensiven Gebetes um priesterliche Berufungen" seien, so Meisner.



Erzbischof Zollitsch fordert Mut zu Reformen ein

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, hat zupackende Reformen im Bereich der Gesundheit, Bildung und sozialen Sicherungssysteme eingefordert. Er appellierte an Verantwortliche in Politik und Wirtschaft und an alle Christen, Profil zu zeigen und standhaft zu sein. Es gehe "um zentrale Fragen der Zukunft unseres Landes und weit darüber hinaus", sagte Zollitsch bei der Jahresschlussmesse am Silvesterabend im Freiburger Münster.



Der gegenwärtige wirtschaftliche Aufschwung stehe auf tönernen Füßen, sagte der Erzbischof. Zu vielen Menschen biete dieser Aufschwung "eine willkommene Gelegenheit, nichts aus Fehlern lernen zu müssen". Die Rücksicht und die Sorge um die Lebensmöglichkeiten künftiger Generationen müsse alle viel mehr beschäftigen.



Zollitsch ging auch auf die Krise der katholischen Kirche ein. Diese sei ausgelöst worden, weil "ausgerechnet Priester und kirchliche Mitarbeiter Vertrauen auf empörende und beschämende Weise missbrauchten". Der Erzbischof sagte, die Kirche werde "mit Nachdruck das Mögliche tun", damit die Wunden des sexuellen Missbrauchs heilen könnten. Die Vorfälle müssten darüber hinaus sensibel machen für Gewalt und sexuellen Missbrauch an "Zigtausend Kindern und Jugendlichen in der eignen Familie, im engsten Freundes- und Bekanntenkreis, in Schulen oder anderen gesellschaftlichen Gruppen und Einrichtungen".



Kardinal Lehmann ruft Kirche zu Mut und Selbstbewusstsein auf

Der Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann, hat die Kirche zum Jahreswechsel aufgerufen, ihre Botschaft mit Mut und Selbstbewusstsein zu verbreiten. In seiner Silvesterpredigt im Mainzer Dom bekannte er sich erneut zu einer Aufarbeitung der Fälle von sexuellem Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen und sagte, hier dürfe es kein Vergessen geben. --
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Er sei aber gleichwohl der Meinung, "dass wir nach den schwierigen Erfahrungen dieses Jahres uns nicht innerkirchlich vergraben und hauptsächlich einen innerkirchlichen Dialogkurs fahren dürfen". Stattdessen solle die Kirche "die Sendung und das Zeugnis unseres Glaubens auch und gerade für unsere Zeit mutig und entschieden" auf sich nehmen, fügte Lehmann hinzu. --
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Der Kardinal wies den Vorwurf einer Vertuschung der Fälle von sexuellem Missbrauch erneut zurück. Er räumte aber ein, das "wir in nicht wenigen Fällen mit Anklagen und auch mit notwendigen Maßnahmen nicht mit dem nötigen Ernst und letzter Konsequenz vorgegangen" sind. Lehmann fügte laut Predigttext hinzu: "Es hat uns hart getroffen, wenn dadurch nicht wenige Menschen das Vertrauen zur Kirche und ihren Verantwortlichen verloren haben". Ausdrücklich dankte der Mainzer Bischof den Mitarbeitern in kirchlichen Kindergärten und sonstigen Einrichtungen für ihren "sensiblen, korrekten und in den allermeisten Fällen auch taktvoll-liebevollen Umgang mit so vielen Kindern und Jugendlichen". --
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Nicht nur die Kirche, die ganze Gesellschaft dürfe über die Missbrauchsfälle nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. "Wir haben genug und genügend klar zum Ausdruck gebracht, dass die Kirche sehr erschrocken ist über diese Vorfälle, die eigene Unzulänglichkeit erfahren und eingesehen hat und dass sie erneut um Vertrauen bittet", fuhr Lehmann fort. Er fügte aber hinzu: "Eine Inflation des Dialogversprechens und der Schuldbekenntnisse macht uns am Ende bei wichtigen Partnern und Instanzen lächerlich." --
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In seiner Silvesterpredigt sagte Lehmann auch, in der Gegenwart gehe es immer wieder um die Religionsfreiheit und den Schutz des Glaubens in aller Welt. Heute gebe es in vielen Teilen der Welt eine außerordentlich große Verfolgung von Christen, die noch viel zu wenig beachtet werde. Der Kardinal nannte den Nahen und Mittleren Osten, und dort besonders Irak, sowie auch China. --
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Zu den positiven Erfahrungen des Jahres 2010 zählte er, dass die Wirtschafts- und Bankenkrise erstaunlich gut gemeistert worden sei, den 20. Jahrestag der deutschen Einigung, den Zweiten Ökumenischen Kirchentag in München und die Einweihung der neuen jüdischen Synagoge in Mainz. Außerdem warb Lehmann für die Familie als "Urzelle der menschlichen Gesellschaft und in dieser Bedeutung alternativlos". Es sei ein großer Irrtum zu glauben, dass man die Institution Familie auf Dauer ohne die tragfähige Beziehung der Ehe aufrechterhalten könne.



Bischof Ackermann mahnt weitere Aufarbeitung der Missbrauchsfälle an

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann sieht die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche als "Reinigung des Gedächtnisses" an. In seiner Silvesterpredigt äußerte der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz im Trierer Dom noch einmal sein Bedauern über die Vorfälle. Zugleich machte er deutlich, dass die Kirche mit der Aufarbeitung auch im neuen Jahr noch beschäftigt sein werde.--
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Zwar seien die Vergehen sexuellen Missbrauchs durch Kleriker seltene Ausnahmen. "Aber insgesamt zeigen die Diskussionen des vergangenen Jahres doch noch einmal, wie sehr die Volkskirche auch von Formen der Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen geprägt war", sagte Ackermann. Im neuen Jahr stünden mit Blick auf dieses Thema noch "gewichtige Hausaufgaben" an. Dazu zählte der Bischof die Frage nach der materiellen Anerkennung und anderer Hilfen für die Betroffenen oder die wissenschaftliche Aufarbeitung des Missbrauchs im Bereich der Kirche. --
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Nicht wenige hätten die Vorfälle zum Anlass genommen, der Kirche den Rücken zu kehren, bedauerte der katholische Geistliche. "Weder die Zahl noch die Sache eines Kirchenaustritts lässt mich als Bischof kalt, und sie kann uns als Bistumsgemeinschaft insgesamt nicht kalt lassen", fügte Ackermann hinzu. --
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Mit Blick auf notwendige Einsparungen in der Kirche forderte der Bischof dazu auf, angesichts der anstehenden Fragen und Aufgaben den großen Horizont des Christseins nicht aus dem Blick zu verlieren. Kirche sei kein Selbstzweck, sondern müsse sich über ihren Auftrag vergewissern. "Mitunter aber, das müssen wir selbstkritisch eingestehen, sieht es so aus, als ob wir vor allem damit beschäftigt wären zu halten, was noch zu halten ist", merkte Ackermann an.



Erzbischof Becker: Wir brauchen "mehr mütterliche Züge"

Nach Ansicht des Paderborner Erzbischofs Hans-Josef Becker braucht es "mehr mütterliche Züge" in unserer Zeit. Diese könnten ein Heilmittel sein "gegen die Eisberge kalter Berechnung" gerade auch im politischen Leben, sagte Becker am Silvesterabend im Paderborner Dom. Zudem seien sie hilfreich "gegen die egoistische Hinterhältigkeit, die uns stetig voneinander isoliert", sowie "gegen den selbst auferlegten Leistungs- und Perfektionszwang unserer Tage".



Der Erzbischof forderte ein Umdenken in Bezug auf zwischenmenschliche Beziehungen. Mitmenschlichkeit dürfe nicht an der Leistung und Brauchbarkeit des anderen bemessen werden. "Es geht darum, dass wir dem anderen vielleicht mehr als bisher sagen: Nicht weil Du schön oder erfolgreich bist, stehe ich zu Dir, sondern ich stehe zu Dir ohne Bedingungen."



Becker rief die Menschen auf, mit Hoffnung und Zuversicht ins neue Jahr zu gehen. Für Christen könne das Bild der Gottesmutter mit dem neugeborenen Kind dafür als ein Zeichen dienen. Es stehe dafür, dass "immer wieder neu Leben auf uns zukommt", sagte Becker anlässlich des Hochfestes der Gottesmutter Maria, das die Kirche am 1. Januar begeht.



Mussinghoff verurteilt erneut Missbrauchsfälle aufs Schärfste

Der Passauer Bischof Wilhelm Schraml rief zur Erneuerung der Kirche auf. Sie bedürfe der "ehrlichen Buße und Umkehr". Schraml fügte mit Blick auf den Skandal um sexuellen Missbrauch und Gewalt in der Kirche hinzu: "Wir haben schmerzlich erfahren, was es im Tiefsten heißt, unter dem Kreuz zu stehen."



Auch der Bischof von Aachen, Heinrich Mussinghoff, hat zum Jahresende erneut die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche scharf verurteilt und um Verzeihung gebeten. Es sei "erste und vornehmste Aufgabe der Kirche in allen Zeiten und Generationen, das Leben zu schützen, zu fördern und zu bewahren", sagte er in der Jahresschlussandacht am Silvesterabend im Aachener Dom. Umso schmerzlicher und dunkler stehe dazu im Kontrast, "was sich in diesem Jahr an schweren Verfehlungen offenbart hat im sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen, verübt von Ordens- und Weltpriestern unserer Kirche, auch unseres Bistums".



Mussinghoff wies gleichzeitig "den entstandenen Eindruck" zurück, zölibatär lebende Priester neigten bevorzugt zur Pädophilie oder zur sexuellen Gewalt. Ihnen sei nicht grundsätzlich zu misstrauen, so der Bischof. "Versagen wir uns nicht unser gegenseitiges Vertrauen." Notwendig sei jedoch eine schonungslose Aufklärung. Dazu gehöre es, den Opfern Gehör zu verschaffen und ihnen Hilfen anzubieten. Auch brauche es dringend präventive Maßnahmen, die solche Vergehen in Zukunft verhindern helfen.



"Tragen Sie mit dazu bei, die entstandene Sprachlosigkeit und Orientierungslosigkeit aufzubrechen", bat Mussinghoff die Gläubigen um Mithilfe. Es brauche Offenheit und Transparenz sowie Angebote des Gesprächs.



Der Bischof ging auch auf den vom Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, angestoßenen Gesprächs- und Dialogprozess für eine "pilgernde, hörende und dienende Kirche" ein. Dieser könne etwa von einem nochmaligen Lesen der Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) ausgehen, schlug Mussinghoff vor. Eine solche "Relecture" könnte den Gesprächsprozess geistig und theologisch inspirieren.



"Nutzen wir die Chance, die Zukunft der Kirche in unserem Bistum zu gestalten", so Mussinghoff. Als eine der wichtigsten Aufgaben nannte er die Entwicklung einer missionarischen Seelsorge. In Gemeinden und Einrichtungen müssten fragende Menschen in Zukunft auf "auskunftsfähige und gesprächsbereite Christen treffen, die ihren Glauben bezeugen". Auch sei es notwendig, vermehrt Ehrenamtliche für den Einsatz in Gremien, Vereinen oder etwa bei der Caritas zu gewinnen.



Bode: Glaubwürdigkeit und Vertrauen gewinnen --
Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode hat in seiner Silvesterpredigt dazu aufgerufen, Glaube und Kirche einladend und zukunftsfähig zu halten. Nach den schweren Erschütterungen durch den Missbrauchsskandal gehe es darum, neue Glaubwürdigkeit und neues Vertrauen zu gewinnen, betonte Bode am 31. Dezember im Osnabrücker Dom. Dabei müssten auch besonders die zahlreichen Dienste von Ehrenamtlichen und Freiwilligen "begleitet, anerkannt und wertgeschätzt" werden. --
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Trotz aller Anfeindungen und allen Misstrauens seien viele Menschen bereit, den Weg der Kirche aktiv mit zu gestalten, sagte Bode. Das zeigten auch die zahlreichen Briefe und Solidaritätsbekundungen, die er als Bischof erhalten habe. Es gebe auch nach wie vor ein großes Interesse an ehrenamtlicher Arbeit. "Kirche und Religion sind weiterhin der zweitgrößte Bereich für ehrenamtliches Engagement, besonders die Caritas", betonte Bode. Das Ehrenamt dürfe aber auf keinen Fall nur "Notnagel in schwierigen Zeiten" sein. Es gehöre vielmehr "zur Substanz unseres christlichen Glaubens". --
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Bei der Suche nach Wegen aus der derzeitigen Krise sei ein "neues Miteinander von Priestern, Diakonen und Laien einer der wichtigsten Wege", unterstrich Bode. Alle Hauptberuflichen in der Kirche müssten noch mehr "verbindliche Partner" für die freiwillig Engagierten werden und sich um deren Fragen, Anregungen und Wünsche kümmern. Bode kündigte an, am 4. September 2011 alle Ehrenamtlichen des Bistums zum Dank für ihr Engagement nach Osnabrück zu einer gemeinsamen Begegnung einzuladen. --


Münsteraner Bischof warnt vor "neuer Selektion" durch PID

Der Münsteraner Bischof Felix Genn hat im Zusammenhang mit der umstrittenen Gendiagnostik bei Embryonen vor einer "neuen Selektion" von Leben gewarnt. Er spielte damit auf die Nationalsozialisten an, die bestimmte Menschen als nicht lebenswert eingestuft und vernichtet hatten.



Im traditionellen Dankamt der Stadt Münster in der Sankt-Lamberti-Kirche sagte Genn am Freitag mit Blick auf die Präimplantationsdiagnostik (PID): "Ohne die Not von Eltern gering zu schätzen, die sich ein Kind wünschen, kann die PID nicht der Weg sein, weil dadurch ein Dammbruch entsteht, der nicht aufgehalten werden kann." Der Mensch sei nicht Herr über das Leben und auch nicht Herr über den Embryo, sagte Genn.



Zugleich forderte er, über die PID nicht nur auf "hoher akademischer Ebene" zu diskutieren, sondern auch zu Hause oder im Verein. Mit Hilfe der PID können Embryonen aus künstlicher Befruchtung vor dem Einpflanzen in den Mutterleib auf Erbkrankheiten untersucht werden. Nur gesunde Zellen kommen dann in die Gebärmutter, die anderen Embryonen sterben ab.



Das Jahr 2010 wird nach Genns Einschätzung als "Jahr des Schreckens" in die Kirchengeschichte eingehen, weil "das Zeugnis für den Gott des Lebens angesichts des Missbrauchs junger Menschen durch amtliche Vertreter der Kirche schweren Schaden genommen" habe. Er bat wie bereits in der Karwoche um Vergebung und rief die Christen dazu auf, durch Buße und Gebet dazu beizutragen, dass die Wunden wirklich heilen könnten. --