Bischöfe mahnen an Pfingsten Politik und Wirtschaft zu Verantwortung

"Aus den Trümmern neue Zivilisation bauen"

Der Kölner Kardinal Joachim Meisner hat an Pfingsten von Politikern und Wirtschaftslenkern mehr Verantwortungsbewusstsein vor Gott und den Menschen gefordert. "Es scheint, dass man auf unserer Erde mit dem eigenen Latein am Ende ist", sagte er in seiner Predigt am Pfingstsonntag im Kölner Dom. Die Soziale Marktwirtschaft sei "am Egoismus und an der Habsucht" der Menschen zerbrochen. Jetzt gelte es, aus der Kraft des Heiligen Geistes wieder von vorn anzufangen und "aus den Trümmern eine neue Zivilisation aufzubauen", so der Kardinal. Auch in anderen Gottesdiensten in Deutschland wurde zu mehr Gemeinsinn aufgerufen.

Kardinal Meisner: Pfingsten zeigt uns den offenen Himmel / © Robert Boecker (DR)
Kardinal Meisner: Pfingsten zeigt uns den offenen Himmel / © Robert Boecker ( DR )

Der Kölner Oberhirte unterstrich die befreiende und erneuernde Kraft des Heiligen Geistes für die Menschen. «Pfingsten zeigt uns den offenen Himmel, der uns Größe und Weite verbürgt. Pfingsten schenkt uns den neuen Menschen, den Heiligen.» Seit Pfingsten habe Religion aufgehört, Privatsache zu sein.

Der Kardinal nannte den Heiligen Geist eine unverzichtbare Kraft in einer immer komplexer werdenden Welt. Die sogenannte Soziale Marktwirtschaft sei am Egoismus und an der Habsucht der Menschen zerbrochen, sagte Meisner. Kompetenz müsse von Verantwortungsbewusstsein vor Gott und den Menschen und von einer hohen Ethik getragen sein. «Fachkompetenz ist nötig, aber Fachkompetenz ohne Sinnkompetenz ist weltweit den Menschen zum Verhängnis geworden.» Neben dem Finanzplan müssten auch die Zehn Gebote zum Tragen kommen.

Pfingsten ist das «Fest des Heiligen Geistes» und nach Weihnachten und Ostern das dritte Hauptfest des christlichen Kirchenjahres. Der Name geht auf das griechische Wort «pentekoste» (der fünfzigste) zurück, weil das Pfingstfest seit etwa Ende des vierten Jahrhunderts fünfzig Tage nach Ostern gefeiert wird. In Erinnerung an die in der Bibel geschilderte Ausgießung des Heiligen Geistes wird Pfingsten auch als Geburtstag der Kirche und Beginn der weltweiten Mission verstanden.

Erzbischof Zollitsch wirbt zu Pfingsten für mehr Gemeinsinn
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, hat zu Pfingsten mehr Gemeinsinn und gegenseitige Rücksichtnahme angemahnt. Gerade in der Wirtschaftskrise brauche es den Mut, «umzukehren und uns wieder neu auf die Werte zu besinnen, die dem Gemeinwohl dienen», sagte der Freiburger Erzbischof am Sonntag in einem Gottesdienst in der Heidelberger Heilig-Geist-Kirche. Zu Pfingsten sollten die Christen deshalb auf die Kraft des Heiligen Geistes vertrauen und zu einer Neuerung in Kirche und Gesellschaft beitragen.

Vertrauen, Solidarität und Rücksicht seien keine Floskeln, sondern «geistererfüllte Grundlage für ein gelingendes Leben», erklärte der Erzbischof. Die Christen hätten den Auftrag, den Menschen genau diese Perspektive aufzuzeigen. «Wir haben der Welt zu sagen, dass es mehr gibt als Aktienkurse und Kapitalanlagen.»

Das Land benötige neue Perspektiven, unterstrich Zollitsch. Dazu gehörte «das Wissen darum, dass unabhängig von Erfolg und Misserfolg mein Leben einen Sinn hat, weil ich von Gott geliebt bin» Gefordert sei eine Haltung, die nicht nach dem eigenen Vorteil frage, sondern den Blick für die Gemeinschaft habe. «Wo sich Menschen dem Heiligen Geist anvertrauen, da erhalten sie neue Kräfte und können das Gesicht der Welt verändern.»

Mussinghoff: Wirtschaftsbosse haben auf Kredit gelebt
Zu Pfingsten hat der Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff eine «Geistlosigkeit» in der Finanzwelt angeprangert. Banker und Wirtschaftsbosse hätten über ihre Verhältnisse auf Kredit gelebt, Grenzen nicht geachtet und Sicherheiten übergangen, sagte er am Sonntag beim Gottesdienst im Aachener Dom. Die Folgen seien Firmenpleiten, Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit, kritisierte er.

Weiter beklagte der Bischof die negativen Folgen des Klimawandels. Unter anderem sei die ökologische Krise für das Wachstum von Wüsten verantwortlich. Es drohe aber auch die Gefahr, «dass die Wüste der Geistlosigkeit wächst». Damit sei nicht das Fehlen von Intelligenz, sondern ein Mangel an Spiritualität gemeint. Religion sei «der Geist gegen geistlose Zustände», betonte der Bischof.

Bischof Fürst: Gesetz des Marktes zerstört Mitmenschlichkeit
Gegen eine Ökonomisierung der Gesellschaft hat sich der Rottenburg-Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst gewandt. In einer Zeit, in der nur die Gesetze des Marktes und kalte Finanzregeln herrschten, gehe viel Mitmenschlichkeit verloren, sagte er Pfingstsonntag bei einem Gottesdienst im Rottenburger Dom. Christen sollten durch Toleranz und Solidarität Gegenakzente setzen. Mit dem Pfingstfest, bei dem Christen an das Wirken des Heiligen Geists erinnern, endet die fünfzigtägige Osterzeit.

Zum 60-jährigen Bestehen des Grundgesetz würdigte Fürst die Verfassung als beste, die es in Deutschland je gegeben habe. Dies liege auch daran, dass die Macher des Grundgesetzes bewusst die christlichen Tradition aufgenommen hätten und die Verfassung damit «deutlich vom Geist christlicher Tradition geprägt» sei. Fürst sagte, er hoffe, dass auch die «Grundfesten des künftigen Europas von diesem Geist inspiriert» würden. Der Bischof rief die Christen dazu auf, Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen und am politischen Willensbildungsprozess, etwa durch eine Stimmabgabe bei der Europawahl, teilzunehmen.

Paderborner Erzbischof kritisiert «Geisterfahrer» der Wirtschaft
Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker hat eine Verantwortungslosigkeit von Entscheidungsträgern in der Finanzwelt beklagt. Bei einigen habe die Gier nach Profit ein unvorstellbares Maß angenommen, kritisierte Becker am Sonntag in seiner Predigt zu Pfingsten. Deshalb sei es wohltuend, Menschen zu begegnen, die aus einem anderen Geist lebten. Das seien Führungskräfte, denen bewusst sei, dass sie gerade in Leitungsaufgaben im Finanz- und Wirtschaftssektor eine große Verantwortung hätten, sagte Becker laut Redemanuskript.

Mit Sorge beobachte er Entwicklungen in der Gesellschaft, die ein hohes Maß an Geistlosigkeit zeigten und von «Geisterfahrern» mitverursacht würden, erklärte der Paderborner Erzbischof weiter. Im Gegensatz dazu gebe es jedoch auch «Geist-erfahrene Menschen», die von einer großen Leidenschaft für Gott und die Menschen erfüllt seien. "Wo das Feuer des Gottesgeistes brennt, da werden Energien freigesetzt für mehr Gerechtigkeit, Versöhnung und Frieden sowie für die Bewahrung der Schöpfung.

Präses Schneider: Verführungen der Zeit widerstehen
Der rheinische Präses Nikolaus Schneider hat dazu aufgerufen, falschen Glücksversprechen zu widersprechen und sich für die Gestaltung einer Welt einzusetzen, in der die Armen und Schwachen geachtet werden. «Wir müssen für unsere Zeiten erkennen, wie der Friede Gottes heute zu gewinnen und zu bewahren ist», sagte Schneider am Sonntag in einem Pfingstgottesdienst in Wuppertal. Es gelte dem standzuhalten, «was Furcht und Schrecken auslöst». Als Beispiel nannte der 61-jährige Theologe den «Geist der hemmungslosen Gewinnsucht und der Verantwortungslosigkeit, der die gegenwärtige Krise der Finanzindustrie ausgelöst hat».

Diese Krise drohe viele Bereiche des Wirtschaftens und die Existenz vieler Menschen mit sich zu reißen, sagte der oberste Repräsentant der 2,9 Millionen rheinischen Protestanten. Zu den «großen Verführungen unserer Zeit» rechnet Schneider das Streben nach militärischer und wirtschaftlicher Überlegenheit sowie das Vertrauen in wissenschaftliche Forschung und Machbarkeit, um ein sicheres und glückliches Leben zu garantieren. Der leitende Theologe der zweitgrößten deutschen Landeskirche erinnerte in der Gemarker Kirche in Wuppertal-Barmen an die Barmer Theologische Erklärung, die in dieser Kirche vor genau 75 Jahren, am 31. Mai 1934, verabschiedet wurde.