Flucht, Vertreibung, Migration

Von Heimkehrern und kultureller Vermischung

DOMRADIO-Bibel setzt sich in der vierten Sendung mit der Heimkehr aus dem Exil in biblischen Texten auseinander. Hören Sie jetzt die Sendung im Podcast.

Gläubiger Jude bläst die Schofar (dpa)
Gläubiger Jude bläst die Schofar / ( dpa )

Wer aus seiner Heimat flieht, der tut dies nicht ganz freiwillig. Hat sich die Lage am alten Ort dann gebessert, zieht es nicht wenige der Geflüchteten in die angestammten Länder zurück. Doch finden sie dort nicht mehr die Heimat vor, die sie verlassen haben, denn sie treffen nicht auf Niemandsland. "Es ist nicht so, als würden die, die die Rückkehrer aufnehmen, nur miteinander die Freude teilen. Sondern es entstehen Konkurrenz-, Rivalitäts- und Enttäuschungssituationen. Und das wird auch schon in der Bibel so gesehen", erinnert der Leiter der Erzbischöflichen Bibel- und Liturgieschule in Köln, Dr. Gunther Fleischer.

Auch im Buch Jeremia wird die Frage aufgeworfen, wer nach der Rückkehr der Verbannten das Sagen im Land hat. Sind es diejenigen, die zurückgelassen wurden oder diejenigen, die das Entreißen von heiligem Boden durchlebt haben? Jeremia stellt dazu ein Gleichnis mit zwei Körben voll Feigen auf. "Kann einer überhaupt wirklicher Jude sein, ist einer ein wirklicher Knecht und eine Magd Gottes, der das Leid der Gefangenschaft nicht durchlebt hat?", lautet nun die Frage nach der Religion. Hinzu kommt der Verdacht, dass die Verbliebenen vielleicht untreu geworden und fremden Göttern nachgelaufen sind. Fleischer erklärt: "Diese beiden Momente führen jetzt um die Rivalität, wer denn jetzt überhaupt am Tempel mitbauen darf."

Heimkehr bringt der Prophet Ezechiel mit der Auferweckung toter Gebeine in einen Zusammenhang. Doch Gunther Fleischer sieht in der Vision die Zeichnung eines Bildes: "Die sind nicht tot. Die sind nicht in fremder Erde begraben. Entscheidend ist, die leben auf fremdem, auf nicht heiligem Boden und kommen sich dabei vor wie Tote." Daher werde die Rückkehr nach Jerusalem wie ein Totenerweckungserlebnis angekündigt. "Vielleicht sind wir hier ganz nah an der Erfahrung von Menschen, die heute Flucht am eigenen Leib erlebt haben, irgendwo unterkommen und dann auch dieses Gefühl kennen."

Angst vor Identitätsverlust hatte der Prophet Nehemia, der davor warnte, sich mit Ungläubigen abzugeben, deren Frauen zu heiraten und deren Sprache zu sprechen. "Im Grunde haben wir es mit einer Art Ghetto-Vorstellung zu tun, die Nehemia im Blick hatte. Diese wird äußerlich greifbar dadurch, dass er um Jerusalem herum eine Mauer bauen lässt; nicht nur als Verteidigungsmauer, sondern auch als Reinhaltungsmauer", erklärt Fleischer die Warnungen des Propheten. Nehemia will Religion als exklusives Geschehen innerhalb der Sippe. Es ist also fest, wer dazugehört, und da soll auch kein anderer mehr dazuzukommen.

Diese Definition über die Blutsbande wird durch Jesus Christus aufgegeben. Zwar entgegnet er der kanaanäischen Frau im Matthäusevangelium zunächst, er sei nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt. Doch erweist er sich ihr gegenüber als lernfähig und erkennt, dass er zu allen Menschen gesandt ist. Nach der Episode der drei Weisen aus dem Morgenland, die als Heiden Jesus als den neugeborenen König der Juden erkennen, ist dies die zweite Geschichte bei Matthäus, in der Nicht-Juden zu tiefgläubigen Vorbildern werden. Für Gunther Fleischer steht fest: "Im Grund ist dies eine Ohrfeige für die matthäische Gemeinde: Schaut mal auf diese Ausländerin! Von der könnt ihr was lernen. Ihr meint immer, ihr seid die Größten. Dabei können wir das, was Glauben ist, sogar von anderen lernen."

Zu besprechende Texte:

- Jer 24,1-10

- Ez 37,1-14

- Neh 13,15-31

- Mt 15,21-28