Wort des Bischofs

Der Stimme Gottes folgen

Wie reagieren auf die Missbrauchsstudie? Kardinal Woelki meint: "Nicht "nichtstun". Ganz sicher nicht "vertuschen" oder gar "davonstehlen." Aber innere Einkehr und nachdenkliches Schweigen um dann grundlegende und nachhaltige Schritte der Veränderung angehen zu können.

 (DR)

Wir haben in dieser Woche Nachrichten präsentiert bekommen, die mich und sicher auch viele von Ihnen erschüttert haben. Auf der Herbstvollversammlung haben wir Bischöfe miteinander beraten über die vielen Missbrauchsfälle in eigenen Reihen über einen Zeitraum von 70 Jahren: Erschreckende Zahlen. Viele haben schnell Maßnahmen gefordert in alle möglichen Richtungen.

Meine Antwort darauf ist im ersten Moment vielleicht verwunderlich. Ich möchte jetzt erst einmal schweigen und aus ruhigem Nachdenken heraus die richtigen Schritte setzen.

Ich möchte still werden. Denn in der Stille begegne ich der Stimme Gottes. Vor dieser Instanz und vor meinem Gewissen will ich mit ehrlichem Herzen das Geschehene noch einmal aufrichtig abwägen. Keine vorschnellen Versprechungen, die mir und uns dann ohnehin niemand abnehmen würde, sondern hinhören, was Gott und die Menschen in dieser Situation von uns wollen. Damit meine ich nicht „nichtstun“. Ganz sicher meine ich auch nicht „vertuschen“ oder gar „davonstehlen.“

In unserem Kölner Erzbistum werden wir die Ergebnisse der Studie mit ihren für uns beschämenden Befunden ernstnehmen und mit Fachleuten beraten, um dann die gebotenen Konsequenzen daraus zu ziehen. Ich habe bereits versprochen, eine eigene, externe Untersuchung in Auftrag zu geben, die untersuchen wird, wo wir in unserem eigenen Erzbistum versagt haben. Es ist dabei ganz zentral, dass wir persönlich und aufrichtig mit Betroffenen in Kontakt treten, dass wir ihnen auf Augenhöhe begegnen und uns ihr Leid anhören. Das habe ich in der Vergangenheit getan und das werde ich zeitnah wieder tun.

Diese Eindrücke und Einsichten müssen dann zusammengeführt werden. Ich will aus allem klare Schlüsse ziehen. Wir brauchen Antworten auf drängende Fragen. Wie konnte all das Leid geschehen? Was sagen uns die Betroffenen? Welche Umstände haben die Taten begünstigt? Wie können wir weiteren Missbrauch verhindern? Befriedigende Antworten finden wir nur, wenn wir auch auf Gott hören, und wenn wir dann ehrlich und respektvoll miteinander sprechen und handeln.

Eins ist mir zum Schluss ganz wichtig: Schweigen im Angesicht Gottes bedeutet Wahrhaftigkeit, denn IHN kann man nicht betrügen. Innere Einkehr bedeutet, seiner Seele einen Spiegel vorzuhalten. Wo man so auf sich selbst sieht, sein ungeschöntes Spiegelbild sieht, erkennt man etwas von der Wahrheit, von der Christus auf uns schaut.

Solch ein Moment ist verändernd. Und solche Momente der Selbsterkenntnis führen dazu, dass aus innerer Einkehr und nachdenklichem Schweigen grundlegende und nachhaltige Schritte der Veränderung hervorgehen. Diesen Weg möchte ich konsequent beschreiten. Im Bekenntnis unserer Schuld, in Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit.

Ihr
Rainer Woelki
Erzbischof von Köln