Im Sudan war das Christentum lange zu Hause

Nubien unter dem Kreuz

Der Sudan gilt als islamisch-fundamentalistisch regiertes Land. Dass dort bis ins 15. Jahrhundert das Christentum zu Hause war, hat ein Marburger Wissenschaftler erforscht. Überreste des vergangenen Brauchtums haben überlebt.

Autor/in:
Christoph Kirchhoff
 (DR)

Im Nordsudan heimisch sind heute fast nur Muslime. Das war nicht immer so. Ein Marburger Wissenschaftler hat nun langjährige Forschungen über die orientalische Kirche in Nubien abgeschlossen, die rund 1.000 Jahre lang während des Mittelalters vom Nordsudan bis zum ägyptischen Assuan entlang des Nils existierte.

Die nubische Kirche, eine dritte altorientalische neben den heute noch existierenden orthodoxen Kirchen in Ägypten und in Äthiopien, sei selbst in Fachkreisen wenig bekannt, sagt der Kirchenhistoriker Roland Werner. "Dabei hat das nubische Christentum auch heute noch eine bleibende Bedeutung, gerade angesichts der Suche afrikanischer Kirchen nach ihren geschichtlichen Wurzeln und ihrer Identität."

Werner hat für seine Doktorarbeit in Theologie über das Christentum in Nubien eine Vielzahl archäologischer Berichte, etwa über die Überreste von Kirchen- und Klosteranlagen entlang des Nils, gesichtet und seit 1979 fast jährlich Studienaufenthalte im Sudan absolviert. Vom 6. Jahrhundert nach Christus bis zum Ende des 15. Jahrhunderts existierte nach seiner Forschung die nubische Kirche, aufgeteilt in drei nubische Königreiche - Nobatia, Makuria und Alodia.

Untergang der nubischen Kirche

Als eines der wenigen Völker in Afrika hatten die Nubier eine eigene Schriftsprache, indem sie das Altgriechische um einige Sonderzeichen für nubische Laute erweiterten. Darin fertigten sie eine altafrikanische Bibelübersetzung an. "Das ist für Afrika einzigartig", sagt Werner, der neben evangelischer Theologie Arabistik, Afrikanistik und Religionswissenschaften studierte.

Bereits 641 nach Christus, etwa zehn Jahre nach dem Tod Mohammeds, kamen Muslime nach Ägypten und übernahmen dort die Herrschaft. Um 652 konnten sich die Nubier aber offenbar dem Ausdehnungs- und Herrschaftsdrang des Islam widersetzen, indem sie mit den Arabern mit Hilfe eines Handelsabkommens ("Baqt") einen Waffenstillstand vereinbarten, der über sechs Jahrhunderte Bestand hatte. In dieser Zeit kam es zu einer Blüte christlicher Kunst, Schrift und Architektur, von der archäologische Funde zeugen.

Gespeist wurde der kulturell-religiöse Fortschritt durch einen ständigen Kontakt mit der byzantinischen Kultur des oströmischen Reiches, vermutet Werner. "Wahrscheinlich war Jerusalem ein zentraler Umschlagplatz, von dem aus nubische Mönche auf ihren Pilgerfahrten regelmäßig neue Impulse für die christliche Kirche Nubiens mitbrachten."

Eine Reihe politischer wie gesellschaftlicher Umstände begünstigten den Untergang der nubischen Kirche. Dazu zählt etwa die im 13. Jahrhundert in Ägypten errichtete Dynastie der Mameluken, eine fanatisch-muslimische Gruppierung, mit denen nubische Umstürzler kollaborierten und damit ihrem eigenen Volk schadeten. In der Folge bekam die nubische Kirche, die keine eigene theologische Ausbildungsstätte hatte, keinen Priester- und Bischöfenachwuchs mehr von der koptischen Kirche aus Ägypten. Zudem wurden Familien durch die Einwanderung und Einheiratung von Arabern muslimisch.

Überreste des Brauchtums

Den "Todesstoß" aber erhielt das christliche Nubien durch die Pest, die um 1350 auf einem Schiff von Alexandria über den Nil nach Nubien kam. Der letzte christlich-nubische König Joel ist für das Jahr 1484 bezeugt. Dass sich die Christen danach noch gut 150 Jahre in einem spätnubischen Restkönigtum halten konnten, zeuge von der Kraft dieser orientalisch-afrikanischen Kirche, sagt Werner.

Obwohl die Bevölkerung im heutigen Nordsudan fast vollständig islamisch ist, haben sich nach Werners Erkenntnis in einer Reihe von Volkstraditionen Überreste nubisch-christlichen Brauchtums bis in die heutige Zeit erhalten. Bei Gefahr sei es eine Gewohnheit der Menschen, sich zu bekreuzigen. Mütter zeichneten ihren Kindern ein Kreuz auf den Bauch, damit sie wieder gesund werden. Bei Neugeborenen gebe es die Tradition, ihnen dreimal Nil-Wasser über den Kopf zu schütten. "Eine Ritual, welches an die Taufe erinnert, dessen Bedeutung den Menschen aber nicht mehr präsent ist", erläutert Werner, der seit 2011 Generalsekretär des Generalsekretärs des Christlichen Vereins Junger Menschen (CVJM) in Deutschland ist.

"Insgesamt ist deutlich, dass die nubische Kirche trotz aller Verbindungen mit und trotz der Abhängigkeit von der byzantinischen Kultur und der koptischen Kirche als eine früh eingewurzelte einheimische Kirche auf afrikanischem Boden mit eigener Kunst, Schrift, Literatur und eigenen theologischen Schwerpunkten wertzuschätzen ist", resümiert Werner.


Quelle:
epd