Christen in Ostdeutschland

Kleiner ist besser?

Der Osten Deutschlands galt mal als lutherisches Kernland - heute sind gläubige Menschen dort eine Minderheit. Wir gehen auf die Suche nach dem Glauben in der Diaspora, suchen Gründe und Perspektiven.

Kreuz an der neuen Leipziger Propsteikirche / © Lukas Schulze (dpa)
Kreuz an der neuen Leipziger Propsteikirche / © Lukas Schulze ( dpa )

Glauben und Kirche wollten sie zerstören, weil sie ihrer Macht im Weg standen: Über den Osten Deutschlands sind zwei Diktaturen hinweggegangen, die die Kirche in der Versenkung verschwinden lassen wollten. Wenn man den Zahlen glauben mag, ist das in weiten Teilen auch gelungen: So sind beispielsweise in Sachsen-Anhalt 80 Prozent konfessionslos und nur vier Prozent katholisch, in den anderen ostdeutschen Bundesländern sehen die Verhältnisse ähnlich aus. Für Enno Haaks, den Generalsekretär des Gustav-Adolf-Werks, dem Diasporawerk der Evangelischen Kirche, ist das ein Erbe der beiden Diktaturen: "Diese Saat ist mächtig aufgegangen - die Menschen haben vergessen, dass sie Gott vergessen haben."

Diaspora: Das Gefühl, allein zu sein

Diejenigen, die noch einer Kirche angehören, sind in diesem Umfeld oft allein: "Da sind sie in der Firma oder im Büro oft der einzige Katholik und haben vielleicht nur noch ein paar evangelische Kollegen", sagt der Leipziger Propst Gregor Giele. Mit einer Folge: "Dadurch verknüpfen sich die Gläubigen intensiver in ihrer Gemeinde und es kommen mehr zum Gottesdienst." Dabei wächst die Propsteigemeinde in Leipzig, unter anderem dadurch, dass mehr Menschen in die Stadt ziehen. Zwischen der Hälfte und drei Viertel aller Gemeindemitglieder sind Zugezogene, für die Gemeinde ein Gewinn, sagt Giele: "Jeder bringt frische Ideen und Erfahrungen aus seiner Heimat mit und es fällt ein Argument weg: 'Das war schon immer so.'"

Dass es um die Katholiken herum viele Atheisten gibt, ist für Giele nicht das eigentliche Problem: "Atheismus ist für uns eigentlich eine gute Brücke, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen: Denn der setzt sich mit den gleichen Fragen auseinander wie wir, kommt nur zu anderen Antworten." Das Problem sei die Gleichgültigkeit, denn wie könne man mit denjenigen, die Gott nie gesucht haben, über Fragen reden, die sie sich nie gestellt haben.

"Es wird keine Massenbekehrung geben“

Die beiden großen Kirchen versuchen, durch karitative und soziale Arbeit ihren Platz in der Gesellschaft zu behaupten. "Denn es wird keine Massenbekehrung geben. Man bekommt die Menschen immer nur einzeln zurück", sagt Enno Haaks. Schulen und Kindergärten sind deshalb ein Teil der Lösung, Glauben wieder unter die Menschen zu bringen. Der hat nach Meinung von Gregor Giele auch noch seine Aufgabe in der heutigen Zeit: "Gerade heute suchen die Menschen Ruhepole, Orte, wo sie einfach da sein können, um einfach mal durchzuatmen und auch einfach mal alles abzuladen." Ein mindestens ebenso wichtiger Gedanke ist das Gefühl von Gemeinschaft: "Die Vereinzelung nimmt doch zu - bei allen Facebookfreunden." Auch politisch werde die Botschaft des Glaubens wichtiger: "Wir haben eine Botschaft, die aufbaut und ins Helle, ins Weite führt." Für ihn ein Zeichen besonders in Zeiten von Pegida. Auch für Enno Haaks ist der Glaube auch in Ostdeutschland ein wichtiger Impuls für die Gesellschaft: "Das ist auch eine Frage von Identitäten: Welche Identität haben wir in einer Welt, die so komplex und kompliziert ist? Nationalismus wird da keine Gesellschaft nach vorne bringen. Abschottung hilft nie."