Requiem von Hector Berlioz

Musikalisches Erdbeben

Ursprünglich für eine konzertante Gedenkfeier geschrieben, wurde Hector Berlioz' Requiem op. 5 im Pariser Invalidendom im Rahmen der Messliturgie uraufgeführt.

Hector Berlioz / © Gemeinfrei
Hector Berlioz / © Gemeinfrei

"La Grande messe des morts" – so lautet der Originaltitel des Requiems des romantischen Komponisten Hector Berlioz – war eine Auftragskomposition für den französischen Innenminister Graf Gasparin. Sie sollte 1837 bei einem Konzert zum Gedenken der in der Julirevolution sieben Jahre zuvor Gefallenen erstmals aufgeführt werden. Berlioz, der den Auftrag dafür erhielt, brauchte nicht mehr als drei Monate, um die gesamte Orchesterpartitur zu Papier zu bringen. Doch wenige Tage vor der Premiere im Juli wurde das Konzert abgesagt. Berlioz hatte zu diesem Zeitpunkt für das Kopieren der Noten und die Proben bereits mehrere tausend Francs vorgestreckt. Nachdem General Damrémont und einige Soldaten im Oktober des Jahres 1837 in Algerien gefallen waren, kam Berlioz‘ Komposition doch noch zum Zuge. Sein Requiem wurde am 5. Dezember des Jahres im Pariser Invalidendom im Rahmen des Trauergottesdienstes für die Gefallenen erstmals aufgeführt und wurde über Nacht zum Erfolg.

Die Komposition verlangt ein großes Ensemble von Chor und Orchester und steht daher ähnlich wie das "Te Deum" für den monumentalen bis bombastischen Stil von Hector Berlioz. Die gesamte Besetzung kommt allerdings nur in drei der insgesamt zehn Sätze zum Einsatz, dann jedoch mit einer Wucht, die einem musikalischen Erdbeben gleicht. Im Eröffnungssatz beginnen die Bässe des Chores mit einer ruhigen, melodischen Linie, die hoch anfängt und dann abfällt und von den anderen Stimmen begleitet wird.

Im Gegensatz zur Vertonung des "Dies irae" vieler Komponisten, die explosionsartig beginnen, wird dieser Ausbruch des Weltgerichts bei Berlioz in drei Abschnitten langsam vorbereitet. Als Vorlage diente ihm dabei das "Resurrexit" aus seiner "Messe solenelle", die er als gerade 20-Jähriger komponiert, später aber verworfen hatte. Die Ankündigung des Jüngsten Gerichts erfolgt wirkungsvoll mit dem Einsatz von vier Blechbläsergruppen. Der damit einhergehende Tempowechsel, der von allen Beteiligten hohe Aufmerksamkeit erfordert, wäre dem Dirigenten der Uraufführung, François-Antoine Habeneck, fast zum Verhängnis geworden, wenn Berlioz an dieser Stelle nicht persönlich eingegriffen hätte.

Das "Lacrymosa" hingegen ist vor allem rhythmisch und an einen Walzer angelehnt, dessen aufschreiartiger Gesang am Ende allerdings weniger heiter wirkt, sondern mehr das Erscheinen des allmächtigen Richters am Tag der Tränen vor Augen hat.

Einen einzigen Satz hat das Requiem von Hector Berlioz, in dem eine Solostimme zu hören ist. Das "Sanctus" wird von einer lyrischen Melodie für Tenor eröffnet, die zunächst von tiefen Tremolostreichern und später von Violinen, einer Flöte und den Frauenstimmen begleitet wird. Danach beginnt der Chor mit einer Fuge das "Hosanna in excelsis".

CD-Tipp:

Hector Berlioz: Requiem op. 5 für Chor, Solo und Orchester

Ausführende: Vinson Cole (Tenor), Tanglewood Festival Chorus, Boston Symphony Orchestra

Leitung: Seiji Ozawa

Erschienen bei RCA Records

 

(Erstsendedatum: 01.11.2015, Wiederholung: 30.10.2016)