Rabbinerin Ederberg erklärt Taize-Pilgern den Schabbat-Psalm

Kleine Einführung ins Judentum

Immer mehr füllt sich der Große Saal unter dem Dach des Jüdischen Museums Berlin. Mehrere hundert Jugendliche strömen hinein, setzen sich erwartungsvoll vor einer kleinen Bühne auf den Boden. Auch Ältere sind dabei, einige in geistlicher Kleidung. Auf ihren Stühlen umringen sie die Hockenden. Auf der Bühne sitzt - gemeinsam mit dem Taize-Bruder John - Rabbinerin Gesa Ederberg. Sie lächelt vergnügt ob des Ansturms, mit dem die jungen Pilger zu diesem Themennachmittag des 34. Taize-Europatreffens in das Museum gekommen sind.

 (DR)

Unterdessen verteilen Helfer Kopien mit dem Psalm 92 an die Anwesenden. Die 16 Verse stehen in drei Sprachen - hebräisch, englisch und deutsch - nebeneinander. Wie interpretieren Juden diesen Psalm zum Lobpreis Gottes? Das zu erklären, ist nun der "Job" der 43-jährigen Rabbinerin, deren wilde Locken eine bunte Kippa im Zaum zu halten versucht. Doch zuerst muss wie bei jeder Taize-Veranstaltung die allgemeine "Vielsprachigkeit" gelöst werden: Routiniert zeigt Bruder John auf verschiedene Personen im Saal, die als Simultanübersetzer ins Deutsche, Polnische, Italienische und Spanische für die Pilger dolmetschen, die um sie herum sitzen.



"Die Psalmen sind so eine Art "warming up" für uns am Schabbat, damit singen wir uns quasi ein", erläutert die Rabbinerin. Um sodann kurz zu erklären, welche Bücher der Bibel sich Christen und Juden teilen: neben den Psalmen noch die fünf Bücher Mose, die Propheten und das Buch Esther.



Bevor sie zum Psalm selbst kommt, erklärt Ederberg den anwesenden jungen Christen noch allgemein ein wenig über den Schabbat, der am Freitagabend beginnt, mit dem Entzünden von zwei Kerzen, 25 Stunden dauert und für strenggläubige Juden mit einem totalen Arbeitsverbot verbunden ist. "Auch Shopping ist nicht erläubt", sagt die Rabbinerin und lacht. Eröffnet werde dann der Schabbat-Gottesdienst in der Synagoge am Samstag traditionell mit dem Psalm 92, dessen Anfang lautet: "Ein Psalm. Ein Lied. Für den Tag des Schabbats."



Leidenschaftlich gibt die Rabbinerin eine kleine Einführung in die Geheimnisse des Psalm-Aufbaus, die Zahlenbedeutung - etwa die Vier als Zahl der Vollkommenheit, die Sieben als heilige Zahl - und erklärt ihren Zuhörern die hebräischen Schriftzeichen. Viele der Psalmen seien später von den Christen vertont worden, und diese Melodien hätten inzwischen zum Teil auch wieder in die Synagogen zurückgefunden, erzählt sie.



Glaube an die Vollkommenheit Gottes

Der Psalm sei ein einziger großer Lobpreis Gottes, so Ederberg. Und auch wenn Juden und Christen ihn im Detail unterschiedlich interpretierten, so verbinde sie doch der Glaube an die Vollkommenheit Gottes. "Seit Jahrhunderten besteht dieser Austausch zwischen Juden und Christen über die Textauslegung in den unterschiedlichen religiösen Traditionen - und das kann etwas sehr Fruchtbares sein, das wir weitertreiben sollten", betont die Rabbinerin.



Dem pflichtet Bruder John bei und warnt davor, nur das Trennende zwischen den Religionen zu sehen. Er ruft vielmehr zu einem "Sabbat des Herzens" auf, der jedem einzelnen inneren Frieden und eine enge Verbundenheit mit Gott und untereinander beschere.



Aufmerksam und konzentriert lauschen die Pilger der Rabbinerin und dem Taize-Bruder, fast könnte man eine Stecknadel in dem Saal fallen hören. Und in den verschiedensten Sprachen ist anschließend an der Garderobe zu vernehmen, welch guter Impuls das doch gewesen sei. Die jungen Christen und die "älteren Brüder im Glauben" - das hat gut harmoniert an diesem Nachmittag des Taize-Treffens.