Leben im Mehrgenerationenhaus

Back to family?

Ob Jung oder Alt, ob Single oder Familienvater, das Leben im Mehrgenerationenhaus ist für viele Menschen eine erfrischende Alternative zum anonymen Wohnen in riesigen Häuserblöcken. Ist es sozusagen das Modell der modernen Patchwork-Familie von heute?

Ledo-Bewohner in Köln-Niehl / © Ledo
Ledo-Bewohner in Köln-Niehl / © Ledo

Oma, Opa, Vater, Mutter, Tochter und Enkel, sie alle wohnen heutzutage nicht mehr wie früher unter einem Dach, sondern sind häufig kreuz und quer in der ganzen Welt verstreut. Aber doch ist der Wunsch ungebrochen, mit mehreren Generationen zusammen zu leben. Das sieht man an den vielen Mehrgenerationenhäusern, die mittlerweile entstanden sind, so auch in Köln. Im Ledo-Mehrgenerationenwohnhaus in Köln-Niehl zum Beispiel leben insgesamt 92 Menschen zusammen. Der jüngste Bewohner ist ein Jahr alt und der älteste über 80 Jahre.

"Mehr Freund, als Nachbar sein"

Seit der Eröffnung der Ledo-Wohnanlage im Jahr 2009 wohnen auch Sandra Altepost, Josefine Stachowiak und Uwe Helms in Köln-Niehl. Warum sie eingezogen sind? Da hat jeder seine ganz eigenen Gründe:

Für die 33-jährige Josefine Stachowiak spielt das Familienleben eine wichtige Rolle und da ihre Familie weit entfernt von Köln wohnt, hat sie beim Umzug ganz bewusst nach Mehrgenerationenhäusern geschaut.

Ein ausschlaggebender Faktor für die beim Erzbistum Köln in der Hauptabteilung Seelsorgebereiche angestellte Sandra Altepost war die Barrierefreiheit in dem Ledo-Wohnkomplex. Die 44-jährige Rollstuhlfahrerin wollte aber nicht nur eine Wohnumgebung, in der sie sich problemlos mit ihrem Rollstuhl bewegen kann, sondern sie hat in ihrer früheren Wohnung in Köln-Ehrenfeld auch die guten Nachbarschaftsverhältnisse vermisst: "Man kannte sich dort einfach nicht und es war ausgeschlossen, dass man sich umeinander kümmerte."

Auch der Freiberufler Uwe Helms wollte nicht mehr anonym in der Großstadt leben. Den 41-Jährigen überzeugte die Idee beziehungsweise das Motto des Ledo-Mehrgenerationenhauses: "Mehr Freund, als Nachbar sein".

"Es ist immer jemand da, wenn man Hilfe braucht, egal ob es dabei um ganz praktische Sachen, wie das Ausleihen einer Bohrmaschine geht oder um die zwischenmenschlichen Beziehungen", betont Sandra Altepost. "Zum Beispiel wenn die Kinder von den berufstätigen Eltern aus der Schule kommen, nehmen die älteren Bewohner sie in Empfang", ergänzt Uwe Helms.

Gemeinsame Filmabende ohne Anwesenheitspflicht

Auch gibt es bewusst Orte der Begegnung im Ledo-Mehrgenerationenhaus, wie zum Beispiel einen Gemeinschaftsraum und einen gemeinsamen Garten. Dort kann man sich treffen und austauschen. Die Bewohner bieten auch regelmäßig verschiedene Aktionen an, wie gemeinsames Kaffeetrinken oder Filmabende.

Eine Anwesenheitspflicht besteht jedoch nicht. "Man kann kommen oder eben nicht. Es ist auch häufig schwierig, die verschiedenen Tagesabläufe der Leute zu kombinieren. Viele haben abends mehr Freizeit, andere eher früher am Tag", erklärt Sandra Altepost. Wenn jemand sich lieber von seinem stressigen Arbeitstag erholen will, kann er sich auch in seine eigene Wohnung zurückziehen, mit dem Wissen, dass es die Möglichkeit gibt, sich mit den anderen Leuten im Mehrgenerationenhaus zu treffen.

Die moderne Großfamilie?

Es ist mehr als nur eine einfache Nachbarschaft. Es entstehen innige Freundschaften zwischen den Generationen und "es ist auch ein bisschen anders als früher in der klassischen Großfamilie, die unter einem Dach gelebt hat. Hier muss man auch erst einmal zusammenwachsen, aber ich finde, es läuft viel basisdemokratischer ab, weil eben nicht alles von einem Familienoberhaupt bestimmt wird", bemerkt Uwe Helms. "Hinzu kommt, dass man sich die Person, mit der man näher etwas zu tun haben möchte, aussuchen kann, im Gegensatz zur Familie, die ist halt da", resümiert Sandra Altepost lachend.