Yassin Musharbash über seinen Roman "Jenseits"

Dschihadisten aus Deutschland

"Es kann sehr anziehend sein, wenn Leute einen an die Hand nehmen und sagen, alles, was bisher passiert ist, spielt keine Rolle mehr, ich zeige Dir ab hier, wie es geht", sagt Yassin Musharbash. In seinem Thriller "Jenseits" erzählt er, wie ein junger Deutscher zum IS-Kämpfer wird – und wie die deutsche Gesellschaft damit umgeht.

Yassin Musharbash / © Nadia Bseiso (KiWi)
Yassin Musharbash / © Nadia Bseiso ( KiWi )

Yassin Musharbash arbeitet als Journalist im Investigativ-Ressort der Wochenzeitung DIE ZEIT. Er hat über IS-Kämpfer aus Deutschland recherchiert, war oft im Nahen Osten, in Syrien und im Irak und hat dort den IS-Fanatismus erlebt. "Mir ging es in dem Buch darum, dass ich den Fall eines deutschen IS-Terroristen aus mehren Perspektiven spiegeln wollte", erzählt Musharbash, "deshalb erleben wir in dem Roman auch die journalistische Perspektive und wir erleben auch, wie die Sicherheitsbehörden damit umgehen". Im Mittelpunkt des Thrillers "Jenseits" steht Gent Sassenthin. Der Selbstmord seiner Schwester stürzt ihn in eine Lebenskrise. "Er fängt an zu saufen, bricht sein Studium ab", beschreibt Musharbash seinen Romanhelden. "Dadurch wird er empfänglich für große Sinnfragen. Seine Schwester hat sich das Leben genommen. Er fragt sich, macht er nicht das gleiche, nur langsamer, indem er sich zu Tode säuft? Und dann hat er eine schicksalhafte Begegnung mit einem Iman, der Gent zum Nachdenken bringt und Gent fragt sich, warum lebe ich überhaupt?"

Flucht vor Konsum und dem komplexen Leben

Musharbash erzählt dann von der Versuchung, sich durch einfache Antworten an die Hand nehmen zu lassen, um dem komplexen Leben  mit seinen Herausforderungen und Vereinzelungen zu entfliehen. "Dann erleben die jungen Leute auf einmal eine neue Gemeinschaft, in die sie einsteigen können, ohne eine vorherige Leistung erbringen zu müssen, eine Art Familie. Der Kontakt zum bisherigen Umfeld wird unterbunden, die einheitliche Kleidung spielt auch eine große Rolle". Von jungen Deutschen, die zum Islam konvertieren – ohne dass sie gleich Islamisten werden – habe er in vielen Interviews erfahren, dass sich viele auch aus einer antikapitalistischen Haltung heraus vom Islam angezogen fühlten: "Sie bekommen vermittelt, dass diese Religion so einfach und so simpel den Sinn des Lebens erklärt und so deutlich sagt, auf den ganzen Konsum komme es nicht an. Und das gibt den jungen Leuten eine klare Idee davon, dass man auch leben kann, ohne sich von all den Dingen verrückt machen zu lassen, die uns jeden Tag umgeben". In dem packenden Politthriller wird der Romanheld Gent Schritt für Schritt verführt und zum IS-Krieger im Kalifat der Terroristen ausgebildet. Das habe auch damit zu tun, dass der junge Deutsche areligiös aufgewachsen sei, erzählt Musharbash: "Er hat kein Gefühl für gelebte Religion und dass man da auch Widersprüche aushalten muss".

Der IS zerstört das friedlriche Miteinander der Religionen

Im domradio.de Interview erzählt Yassin Musharbash auch über sein Leben als Deutscher mit jordanischen Vorfahren, der oft im Nahen Osten ist, der dort seine Verwandten besucht, die in Jordanien als Christen in der Minderheit leben. Das Miteinander der Religionen sei in Jordanien friedvoll und von Respekt geprägt. Aber der IS vergifte diese gute Atmosphäre. "Ich habe das im Irak und Syrien erlebt. In den Gebieten, die der IS beherrscht und inzwischen verloren hat", sagt der Journalist und Autor. "Jedes Vertrauen zwischen den religiösen und ethnischen Gruppen ist dort systematisch zerstört worden. Das ist eine Schneise der Verwüstung, die der IS durch die ganze Region gezogen hat".