Volker Kutscher über "Lunapark"

Seine Krimis sind Zeitreisen in die Dreißigerjahre

"In meinen Krimis möchte ich auch zeigen, dass unsere Demokratie nicht selbstverständlich ist", sagt Volker Kutscher im domradio.de Interview. Seine Kriminalromane um den Kommissar Gereon Rath spielen in den frühen Dreißigerjahren – in der Übergangszeit von der Weimarer Republik zur NS-Diktatur.

Volker Kutscher / © Monika Sandel (KiWi)
Volker Kutscher / © Monika Sandel ( KiWi )

"Die Kriminalgeschichte ist schon der Kern der jeweiligen Romane, aber nicht das einzige, um das es geht. Für mich ist das Drumherum auch wichtig", sagt Volker Kutscher. Das Drumherum seiner Krimis spielt in Berlin. Die goldenen Zwanzigerjahre sind zu Ende. Hitler ist an der Macht. Das Jahr 1934, in dem der sechste Krimi um Kommissar Gereon Rath mit dem Titel ´Lunapark´ spielt, ist ein Jahr voller Umbrüche. Die meisten Berliner tun so, als sei alles noch ganz normal und leben unbesorgt in den Alltag hinein. Sie verdrängen den aufkommenden Nazi-Terror, den zum Beispiel die skrupellosen SA-Schlägertrupps verbreiten. "In den Krimis will ich auch zeigen, wie die politischen Umwälzungen der damaligen Zeit in Beides hineingreifen – in das alltägliche, private Leben aber auch in das Berufsleben, und wie das alles miteinander zusammenhängt, wie sich die Protagonisten meiner Romane den sich ändernden Verhältnissen stellen." Auch Kommissar Gereon Rath muss sich der neuen Hitler-Zeit stellen. Er ist kein Held, kein leidenschaftlicher Widerstandskämpfer. Er denkt 1934, dass die Machtübernahme Hitlers vorübergeht und dass der braune Spuk nicht so schlimm werden wird. "Ich wollte da jemanden haben, der ein normaler Mensch ist, mit allen Verführbarkeiten", charakterisiert Kutscher seinen Kommissar. "Gereon Rath sieht die Dinge nicht so kommen, wie sie dann kommen. Dieses Verhalten hat er, glaube ich, mit den meisten seiner Zeitgenossen geteilt." Man könne die Zukunft eben nicht vorhersehen, sagt der Autor. "Im Rückblick gucken wir auf 1933 und wissen, was danach geschah, und denken, da hätte man doch von Anfang an voll dagegen halten müssen."

Ein Denkmal für Pfarrer Bernhard Lichtenberg

Gereon Rath hält nicht dagegen. Er will sich irgendwie durchmogeln und nicht einmischen. Aber das geht in seinem neuen Mordfall nicht. In ´Lunapark´ geht es um eine Mordserie an SA-Männern. "Er hat das Problem, dass er nicht alleine ermitteln darf, weil es offensichtlich politische Morde sind", sagt Kutscher. "Weil eine kommunistische Parole an einem Tatort gefunden wird, schaltet sich ganz schnell die geheime Staatspolizei ein. Die wollen aber nur Kommunisten jagen, die vermeintlich für die Morde verantwortlich sind". Aber so einfach, wie die geheime Nazi-Staatspolizei das gerne hätte, ist der Fall nicht. ´Lunapark´ heißt der Krimi, weil sich die verfolgten Kommunisten im stillgelegten Lunapark verstecken. "Der Lunapark war der berühmteste unter den Berliner Vergnügungsparks", erzählt Kutscher. "Dieser Vergnügungspark wurde dann im Frühling 1934 zum ersten Mal nicht wiedereröffnet, weil dort eine Straße gebaut werden sollte. Aber die Bauarbeiten begannen erst ein paar Jahre später. In der Zwischenzeit stand der Vergnügungspark leer und war ein Unterschlupf für Regimegegner, die sich dort versteckten." Volker Kutscher hat genau recherchiert. Die historischen Details in seinen Krimis stimmen. So kommen auch reale Personen der Zeitgeschichte vor. Zum Beispiel der berühmte katholische Priester Bernhard Lichtenberg, dem Kutscher in seinem Kriminalroman ein Denkmal setzt. Pfarrer Lichtenberg versteckt von den Nazis verfolgte Widerstandskämpfer – auch Kommunisten. Vom Mut und Geschick des Geistlichen erzählt Kutscher. Seinem Kommissar Gereon Rath kommt hier entgegen, dass er katholisch ist, denn er kommt aus Köln. "Er ist kein frommer Kirchgänger aber doch in katholischer Wolle gewaschen", beschreibt der Autor seinen Helden. "Auch ist er in Berlin durch seinen katholischen Namen ´Gereon´ stigmatisiert und wird immer als fremd erkannt." Das katholische Milieu in Berlin sei eher resistent gegen die Nazis gewesen, sagt der Autor. "Obwohl Gereon Rath nicht politisch ist, läßt er sich durch seine katholische Identität von den Nazis nicht so einfach vereinnahmen."

Wie konnte es soweit kommen?

Man kann gar nicht anders, als Volker Kutschers Krimis auf dem Hintergrund auch unserer Zeit zu lesen. Wie selbstverständlich ist unsere Demokratie, fragt man sich bei der Lektüre, und warum ist die Weimarer Demokratie, von deren Untergang Kutscher erzählt, gescheitert? "Die Frage, warum der Nazi-Terror nicht verhindert worden ist, treibt mich um". Diese Frage lasse sich nicht so einfach beantworten, ist der Autor überzeugt. "Aber möglichen Antworten auf diese Frage versuche ich auch durch meine Romane ein wenig näher zu kommen".