Ulrike Almut Sandig über ihren neuen Gedichtband "ich bin ein Feld voller Raps"

"Gott hat keine Namen"

"Mir ging es in diesem Buch auch um religiöse Fragen", sagt Ulrike Almut Sandig, "aber man kann religiös denken, ohne die ganze Zeit an Gott zu denken und ohne die ganze Zeit Gott formulieren zu müssen. Nach Gott zu fragen, ist eine Art und Weise, die meiner Dichtung und meinem Leben näher kommt".

Ulrike Almut Sandig / © Ludwig Rauch
Ulrike Almut Sandig / © Ludwig Rauch

Das Wort Gott kommt in Ulrike Almut Sandigs Gedichtband nicht vor. Obwohl viele Gedichte einen gewissen religiösen Sound haben. "Der Begriff Gott ist mit viel zu vielen Missverständnissen gesegnet", sagt sie, "Gott ist für mich etwas, was nicht greifbar ist. Gott kann keine Namen haben, weil es viel zu schwer ist, das auszudrücken". Ihr Lyrikband "ich bin ein Feld voller Raps verstecke die Rehe und leuchte wie dreizehn Ölgemälde übereinandergelegt" enthält viele autobiographische Bezüge, bindet aber auch die aktuelle Flüchtlingskrise in die Gedichte ein und sucht nach zeitgemäßer gesellschaftlicher Anschlussfähigkeit der Grimm´schen Märchen.

Die Repolitisierung der Literaturszene

"Meine Autorengeneration hat, als wir angefangen haben, erstmal unpolitisch geschrieben. Aber in der Literaturszene findet zurzeit eine Repolitisierung statt", stellt Ulrike Almut Sandig fest: "Wir wissen alle, dass es da eine Verantwortung gibt, aber wir wissen nicht, wie wir dieser Verantwortung gerecht werden können". Viele ihrer Gedichte sind politisch aufgeladen. Die Autorin schreibt über das Flüchtlingslager Idomeni, über den Irak und Syrien. Dabei grenzt sie sich ganz bewusst von den Agitprop Gedichten der 68er Generation ab. "Genau wegen dieser Gedichte wollten wir ursprünglich nicht politisch schreiben", sagt sie, "wir wollten nicht die Dichter sein, die immer alles besser wissen und die so schlau sind und die ihr Publikum damit auch klein halten. Für uns war von Anfang an klar, dass wir aus den Reihen des Publikums selbst kommen".

Fragen sind produktiver als Antworten

Sie habe keine Handlungsanweisung, sondern spreche aus einer Ratlosigkeit heraus, die Fragen stellt. "Das finde ich produktiver als Antworten zu geben", sagt sie ´… ich weiß nicht, was richtig und falsch ist. ich spreche vom Wühlen im unterkühlten Gewässer als einer neuen Form von Bewegung´. – schreibt sie in ihrem Gedicht Idomeni: ´… und was, wenn überhaupt kein klares Tageslicht auf den Gewässern sichtbar ist, statt dessen lauter Männer, Frauen und Kinder, die versinken´?

"Die Berichte über das Massengrab Mittelmeer wurden immer häufiger", sagt sie, "und ich habe als Autorin keine wirkliche Wahl mehr – genau wie ich auch als Mensch keine Wahl mehr habe. Auch wenn ich nichts mache, dann ist das auch eine Positionierung. Ich muss mich auf irgendeine Art und Weise verhalten".