Sylvie Schenk über "Schnell, dein Leben"

"Niemand ist ganz rein, niemand ganz böse"

"Das zentrale Thema des Buches ist die Versöhnung", sagt Sylvie Schenk im domradio.de Interview. In "Schnell, dein Leben" erzählt sie eine französisch-deutsche Liebesgeschichte in der Nachkriegszeit – die Geschichte einer Liebe, die bis heute hält.

Sylvie Schenk / © Peter Hassiepen/Hanser (Hanser)
Sylvie Schenk / © Peter Hassiepen/Hanser ( Hanser )

Das Buch der französisch-deutschen Autorin trägt durchaus auch autobiografische Züge. Genau wie Louise, ihre Romanheldin, kommt Sylvie als schüchterne, junge Französin in die Stadt, nach Lyon, um dort zu studieren. In einer Jazzkneipe lernt sie einen deutschen Austauschstudenten kennen, im Roman heißt der Johann. "Dieser junge Deutsche, das versteht Louise erst später, will eigentlich Franzose sein und kein Deutscher", sagt Sylvie Schenk. Johann leidet unter dem Schweigen in seiner Familie. Sein Vater hat sich als Wehrmachtssoldat in Frankreich schuldig gemacht, doch diese Zeit wird verdrängt. Nach dem Krieg freundet sich der Vater Johanns mit einem jüdischen Ehepaar an. "Es ist nicht die reinste Bosheit", erklärt Sylvie Schenk, "er hat in Frankreich einiges verbrochen, aber er ist nicht nur ein schlechter Mensch. In dem Roman ist niemand ganz rein und niemand ganz böse".

Das Schweigen nach dem Weltkrieg

Louise heiratet Johann. Beide verbindet, dass sie zutiefst unter dem Schweigen in ihren Familien leiden. Denn auch in der Familie von Louise gibt es ein Geheimnis, über das nicht gesprochen wird. Die Mutter ist ein Adoptivkind, ihre Herkunft wird verdrängt. Das Schweigen und die Folgen – auch das ist ein Grundthema des Romans. Louise zieht nach Deutschland und fühlt sich dort sehr einsam. Zurück nach Frankreich zu gehen, das kommt aber für sie nicht in Frage. "Liebe ist nicht nur Verliebtsein", ist Sylvie Schenk überzeugt. "Liebe heißt, immer einen Schritt weiter zu gehen, um den anderen zu verstehen. Louise schafft diese Schritte, denn die Ehe ist eine sehr lange Wanderung – aber wenn man sie meistert, dann ist es gut".

Aufruf zu Toleranz, Liebe und Verstädnis

Sylvie Schenk lebt in Aachen, sie ist bis heute mit ihrem deutschen Mann glücklich verheiratet. In ihrem Buch "Schnell, dein Leben" erzählt die Autorin eine bewegende französisch-deutsche Liebesgeschichte, die auch für die Versöhnung von Frankreich und Deutschland nach dem Weltkrieg steht. Heute hat in beiden Ländern ein Nationalismus Zulauf, der das Trennende der jeweiligen Nationalität betont und nicht für das Verbindende steht. "Das macht mich sehr, sehr traurig", sagt Sylvie Schenk, "und es macht mir große Angst für die nächste Generation". Auf die Frage, was man dagegen tun kann, antwortet sie: "Unsere Kinder zu Liebe, Verständnis und Toleranz erziehen. Das müssen Eltern und Schule leisten – ich weiß sonst nichts".


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