Sten Nadolny über seinen Roman "Weitlings Sommerfrische"

Wer sind wir, und was glauben wir?

In seinem jüngsten Roman "Weitlings Sommerfrische" schickt Sten Nadolny seinen Helden auf eine philosophische Zeitreise. Es geht um den Glauben an Gott, aber auch um Atheistenzeitschriften. Das Buch trage autobiografische Züge, berichtet der Autor im domradio.de-Interview.

 (DR)

"Ich stelle in dem Roman heimtückisch die Frage: Wie groß ist denn eigentlich der Unterschied zwischen einem ordentlichen Menschen, der behauptet nicht zu glauben und einem ordentlichen Menschen, der behauptet zu glauben?" Wilhelm Weitling ist ein sorgenfrei lebender pensionierter Richter, der sich selbst als gläubig bezeichnet. In seinem Buch "Weitlings Sommerfrische" schickt Sten Nadolny seinen Romanhelden Weitling auf eine philosophische Zeitreise.



Ein anderes Lebensmodell

Der pensionierte Richter kentert mit seinem Segelboot auf dem Chiemsee, er verliert das Bewusstsein. Als er wieder aufwacht, stellt er fest, dass ihn der Bootsunfall fünfzig Jahre in die Vergangenheit zurückgeworfen hat. Er lebt fortan als Geist an der Seite des jungen Willy Weitling. Mit Erstaunen stellt der Geist aber fest, dass sein Leben einen anderen Verlauf nimmt, als ihm vertraut ist. Und dann verunglückt auch der junge Weitling, sein Geist wird abberufen und kehrt in die Gestalt des alten Mannes zurück.



Mit Erschrecken erlebt er nun, dass er gar kein Richter geworden ist, sondern ein Schriftsteller. Sein Richter-Ich sieht sich mit einem neuen Leben konfrontiert. So findet er zum Beispiel in der Post des Schriftstellers die neueste Ausgabe der Atheistenzeitschrift: "Der Kerl, also ich, glaubte offenbar, man dürfe nicht an Gott glauben".



Beide beschäftigen sich intensiv mit der Frage nach Gott

Sten Nadolny lässt hier zwei Menschen aufeinandertreffen, die sich intensiv mit der Frage nach Gott beschäftigen, diese Frage aber ganz unterschiedlich beantworten: "Das ist meine Gemeinheit als Autor, dass ich den Richter, der an Gott glaubt und daran, dass alles, was ihm passiert, von oben verhängt ist, in eine andere Existenz hinein schiebe, nämlich die Existenz eines Schriftstellers, der weit weniger an Gott glaubt und sogar eine Atheistenzeitschrift liest."



Im domradio.de-Interview bekennt Sten Nadolny, dass der Schriftsteller in seinem Roman autobiografische Züge trägt. Das heißt aber nicht, dass sich Nadolny nun als nicht-gläubig bezeichnet, wenn er erklärt: "Ich kann zwar nicht sagen, dass ich an Gott glaube - ich kann das nicht einfach so hinsagen, aber ich kann mich hineinfühlen in jemanden, der an Gott glaubt. Das ist meine Brücke, deswegen bin ich doch ziemlich nah dran".



Info:

Sten Nadolny / Weitlings Sommerfrische / Piper Verlag / 220 Seiten / 16,99 Euro