Sophie von Bechtolsheim über ihren Großvater Stauffenberg

Handeln aus christlichem Gewissen

"Die Persönlichkeit meines Großvaters lässt sich nicht darauf reduzieren, Attentäter gewesen zu sein", sagt Sophie von Bechtolsheim. In ihrem Buch 'Stauffenberg. Mein Großvater war kein Attentäter' zeigt sie einen Mann mit vielen Facetten.

Sophie von Bechtolsheim / © privat (HERDER)
Sophie von Bechtolsheim / © privat ( HERDER )

"Stauffenberg hat sich am Tag vor dem 20. Juli, also am 19. Juli abends, von seinem Fahrer in eine Kirche zum Beten bringen lassen. Man kann davon ausgehen, dass es die Rosenkranzbasilika Steglitz war", sagt Sophie von Bechtolsheim, die Enkelin von Claus Graf Stauffenberg. Ihr Großvater war katholisch. Der Glaube bedeutete ihm viel. Das hat seine Enkelin auch von ihrer Großmutter erfahren, mit der sie oft über ihren prominenten Verwandten gesprochen hat. "Von meinem Großvater wird erzählt, dass er immer ein goldenes Kreuz mit einer Kette um den Hals getragen hat", sagt sie im DOMRADIO.DE Interview. "Wenn er am Sonntag zuhause war, ist er selbstverständlich in die Kirche gegangen – mit der ganzen Familie. Und er hat das in der Uniform getan, weil das für ihn auch ein sichtbares Zeichen war, - er als Offizier demonstriert öffentlich seinen Glauben".

Gespräche mit Bischof Preysing

Vor seiner Gewissens-Entscheidung, Hitler zu töten, habe sich Stauffenberg mit der Legitimation eines Tyrannenmordes ausführlich beschäftigt, er habe Thomas von Aquin gelesen und sich mit dem Berliner Bischof Preysing getroffen, sagt die Enkelin. "Es gibt in einer Biografie über Preysing die Episode, dass er ihn besucht hat, und der Bischof habe ihm nicht den Segen der Kirche geben können, aber den Segen als Seelsorger, das beschreibt Preysing danach. Aber was der genaue Inhalt des Gesprächs war, das hat er natürlich aus Gründen der seelsorglichen Schweigepflicht nicht erzählt", sagt Bechtolsheim.

Gewissen als Spiegel Gottes

In ihrem Buch über ihren Großvater Graf Stauffenberg ist der Begriff Gewissen ein zentraler Begriff. Ihrem Großvater sei klar gewesen, "wir werden wahrscheinlich als Verräter in die Geschichte eingehen, aber wir wären Verräter vor unserem Gewissen, wenn wir es nicht versuchen würden. Meine Überzeugung ist, dass das Gewissen der Spiegel ist, wo wir sehen können, wie uns Gott eigentlich vorgesehen hat", sagt die Enkelin.

Großvater war kein Attentäter

Sophie von Bechtolsheim hat ein sehr persönliches Buch über ihren Großvater Graf Stauffenberg geschrieben. Ihr war es dabei ein Anliegen, ihren Großvater von dem Begriff Hitler-Attentäter zu befreien. 'Mein Großvater war kein Attentäter' lautet der Untertitel ihres Buches. "Stauffenberg ist gleich Attentäter ist eine doppelte Reduzierung", sagt sie. "Einerseits reduziert man diesen Mann, der fast 37 Jahre alt geworden ist, auf den Attentäter, als sei das eine Berufsbezeichnung oder sogar ein Persönlichkeitsprofil. Das wird seinem Leben nicht gerecht. Und andererseits wiederum reduziert es den 20. Juli auf Stauffenberg. Und das wird all denen nicht gerecht, die auch an dem Widerstand und dem Staatsstreich mitgearbeitet haben und die auch bereit waren, das Attentat selbst auszuführen".

Das war kein 'Vogelschiss' der Geschichte

Ein Attentat, das – wenn es geglückt wäre – die Weltgeschichte verändert hätte. Mehr als ärgerlich findet die Enkelin von Graf Stauffenberg, wie die AFD die Verbrechen der Hilter-Zeit verharmlost und sogar als einen 'Vogelschiss' in der deutschen Geschichte bezeichnet. "Das ist ein Skandal", sagt sie. "Das war kein 'Vogelschiss', sondern ein tiefer Krater in der Menschheitsgeschichte, der halt ausgerechnet in unserem Land stattgefunden hat, ein tiefer Krater, den es in die Zivilisation gerissen hat und es ist ein sehr trauriges aber eben auch sehr lehrreiches Kapitel, mit dem sich jeder auseinandersetzen sollte". Denn Frieden und Demokratie seien keine Selbstläufer, sagt Sophie von Bechtolsheim, und so ist ihr Buch über ihren Großvater Graf Stauffenberg auch ein Appell, denn "das Leben und die Gesellschaft, in der wir uns sehr komfortabel eingerichtet haben, ist ja offensichtlich kein Selbstläufer bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag, sondern wir müssen uns täglich für die Errungenschaften der Demokratie einsetzen", sagt Sophie von Bechtolsheim.


Quelle:
DR