Rainer Merkel über seinen Roman „Bo“ und seine Zeit in Liberia

Was wissen wir schon über Afrika?

„Oft wachten die Leute auf, wenn Bo sie anschaute.“ Bo ist blind, seit er als Kleinkind einmal ein Fieber bekommen hat. Bo ist dreizehn Jahre alt und lebt in Liberia, eines der ärmsten Länder der Welt. Bo ist einer der drei jugendlichen Helden in Rainer Merkels Roman, der auch Bo heißt. Weiter ist da Benjamin, ein Junge aus Berlin, der plötzlich allein am Flughafen in Monrovia, in Liberia steht, und dann ist da Brilliant, ein verwöhntes Mädchen. Um die drei Jugendlichen geht es in Rainer Merkels Roman, der in Liberia spielt.

Rainer Merkel / © Gaby Gerster
Rainer Merkel / © Gaby Gerster

„Ich wollte mit dem Bo auch eine leuchtende, magische und souveräne Hauptfigur haben, die von einem anderen Afrika erzählt“, sagt Rainer Merkel im domradio.de Interview. Sein Bo entkräftet das Klischee von den armen Afrikanern, die bemitleidenswerte Opfer sind. Bo erkämpft sich selbstbewusst seinen Platz ins Leben. Und er nimmt Benjamin, den Jungen aus dem reichen Westen, an die Hand und zeigt ihm Liberia. Benjamin ist der Schüchterne, der eher Hilflose, er spielt die Rolle des schwachen Opfers. So vertauscht Rainer Merkel die Perspektiven und läßt uns mit einem anderen Blick Afrika anschauen.

 Rainer Merkel hat in Liberia gelebt und gearbeitet. Ein Jahr lang war er für die Hilfsorganisation Cap Anamur in einem psychiatrischen Krankenhaus tätig. In Monrovia hat er auch den blinden Jungen getroffen, der Vorbild für seinen Romanhelden Bo wurde. In Liberia wurde dieser Junge bekannt, weil er in seiner Schule vor der liberianischen Präsidentin eine charismatische Rede gehalten hat. „Ich war beeindruckt von seiner unbekümmerten, fröhlichen Art“, erzählt der Autor: „Und mit welcher Souveränität er in diesem chaotischen Monrovia, das für Blinde ja noch viel weniger geeignet ist als unsere Großstädte, wie er sich da bewegte, wie er auch alles tat, um sein Problem zu verstecken. Er hat seinen Blindenstock nie mitgenommen, er rannte einfach so raus und nahm auch Kollisionen in Kauf, um Normalität zu demonstrieren“.   

Rainer Merkel hat seine Erlebnisse und Erfahrungen aber nicht nur in seinen Roman „Bo“ einfließen lassen. In einem zweiten Reportagebuch erzählt der Autor von seinen Aufenthalten, nicht nur in Liberia sondern auch in Afghanistan und im Kosovo. Über den Umgang mit Glauben und Religion in Afrika erzählt Merkel im domradio.de Interview: „Die Religiosität spielt in Liberia eine große Rolle, ganz anders als wir das hier kennen. Die Priester dort sind so etwas wie kleine Unternehmer mit ihrer eigenen Kirche, das ist für uns ungewohnt. Der Umgang mit Religion ist manchmal spielerischer, da werden viele Sachen einfach vermischt. Religion dort hat aber auch etwas Befreiendes. Wir haben Mitarbeiter in der Psychiatrie gehabt, die nach dem Wochenende völlig erschöpft waren, weil sie die ganze Nacht im Gottesdienst waren“. Merkel warnt aber auch vor der zunehmenden Zahl von zweitklassigen christlichen Predigern, "die aus den USA kommen und unter freiem Himmel  so eine obskure Show abziehen."