Peter Stamm über seinen Roman "Weit über das Land“.

Weshalb das alles?

"Wenn ich in den Bergen bin, gibt es wirklich die Momente, wo man sich selbst vergisst und nur noch auf den Weg achtet“ erzählt Peter Stamm auf domradio.de. In seinem neuen Buch "Weit über das Land“ schickt er den Romanhelden Thomas auf eine Wanderung - "ohne Vergangenheit und Zukunft“.

Peter Stamm / © Gaby Gerster
Peter Stamm / © Gaby Gerster

Thomas steht auf und geht, ein Mann verschwindet, er verlässt seine Familie. Während seine Frau am Abend nach den beiden Kindern sieht, steht er von der Terrasse auf und geht fort, ohne Gepäck, ohne Plan und Ziel – einfach so. "Er hat eigentlich keinen Grund, denn die Beziehung funktioniert, er liebt seine Kinder, er ist in einer guten beruflichen Situation“, sagt Peter Stamm, "für mich war es auch die Idee, dass er die Zeit damit anhalten will, dass er sich vor dem Vergehen der Zeit fürchtet“. In seinen Büchern sei der Alltag nie etwas Schreckliches, vor dem man sich fürchten müsse, sondern im Gegenteil wonach man sich sehne, sagt Stamm: "Weil der Romanheld merkt, dass die Familie irgendwann auseinanderfallen wird, die Kinder aus dem Haus gehen, er oder seine Frau sterben werden, hält er, indem er geht, auch irgendwie die Zeit an, – natürlich ist das eine hilflose Art, aber es ist eine Möglichkeit“.

Er habe das Buch seinem spanischen Verleger Jaume Vallcorba Plana gewidmet, der 2014 gestorben ist. "Ich habe ihn kurz vorher getroffen und ihm von dem Buch erzählt", sagt Stamm, "und im Grunde ist es ein Buch über das Sterben und über das Dableiben, nachdem man gestorben ist. Dieser Mann ist immer noch bei mir, ich denke oft an ihn, ich weiß, was er sagen würde in einer bestimmten Situation, der ist nicht einfach weg, nur weil er tot ist, und das ist bei meinem Romanhelden Thomas sehr ähnlich“. In den Bergen erlebt Thomas glückliche Augenblicke der Allgegenwärtigkeit – ohne Vergangenheit und Zukunft. Peter Stamm schildert Naturerlebnisse wie sie auch die großen Naturmystiker beschreiben. Der Autor zieht seine Leser hinein - in das "Hochgefühl des Unterwegsseins“. Sein Roman ist, weiß Gott, keine Aufforderung aufzustehen, alles und alle zu verlassen und fortzugehen. "Ich würde natürlich niemanden raten, seine Familie zu verlassen“, sagt Stamm, "aber vielleicht einmal darüber nachzudenken, was mache ich da eigentlich, und wo geht es hin? Und sich im Alltag auch diese Freiheiten zu nehmen. Oder sich ganz einfach fragen, muss ich denn immer den gleichen Weg zur Arbeit nehmen oder kann ich nicht einen ganz anderen gehen“.