Peggy Mädler über die Suche nach einem Zuhause in einem Leben voller Umbrüche

Wer weiß schon, wie man ein Leben lebt

In 'Wohin wir gehen' schildert Peggy Mädler, wie drei Frauengenerationen über ein Jahrhundert mit den Brüchen in ihrem Leben umgehen. Im DOMRADIO spricht die Autorin auch über die Suche nach Heimat, die auch in Freundschaft und im Erzählen zu finden ist.

Peggy Mädler / © Jan Konitzki (Galiani Verlag)

'Es geht um den Moment, in dem man sieht, was wirklich zählt im Leben'. Das steht im Klappentext des neuen Romans von Peggy Mädler 'Wohin wir gehen'. Also – was zählt denn wirklich im Leben? Im DOMRADIO.DE Interview überlegt die Autorin einige Sekunden, dann sagte sie: "Freundschaften zählen, dass ich eingebunden bin in Freundschaft und selbst auch für andere Menschen Freundin bin. Tatsächlich zählt für mich auch der Versuch, einen Platz in der Welt zu finden, mit dem, was man gerne macht und mag und darin auch gesehen, gehört zu werden und Anerkennung zu finden".

Weiter zähle für sie der Blick zurück auf die Vergangenheit, die Bewahrung von Sachen, die ihr mitgegeben worden seien und die sie gern in die nächste Generation weitergeben würde. Nach kurzer Überlegung fügt sie noch einen ihr sehr wichtigen Punkt  hinzu, denn was für sie wirklich zähle und Ausgangspunkt sowohl für ihr privates Leben als auch für den gesellschaftlichen Raum sei, das sei Kommunikation: "Miteinander zu reden und sich gegenseitig auch erzählen, was für einen zählt. Wirklich nicht davon auszugehen, dass man etwas pauschalisieren kann. Die meisten Begriffe, nicht nur die großen wie Glück und Heimat immer so subjektiv wie möglich zu verstehen und stets nachzufragen, was der andere darunter meinen könnte".

Was ist Heimat?

In 'Wohin wir gehen' begibt sich Peggy Mädler auf Spurensuche dreier Frauengenerationen, die über ein Jahrhundert in massiven gesellschaftlichen Umbruchzeiten ihren Lebensweg finden mussten. Im Mittelpunkt des Romans steht die Freundschaft zwischen Rosa und Almut, die im Böhmen der 40er Jahre aufwachsen. Nach dem Tod von Almuts Eltern nimmt Rosas Mutter das Mädchen in ihre Obhut. Die Familie muss – wie alle Deutschen – die Tschecheslowakei nach dem Krieg verlassen. In Brandenburg finden Rosa und Almut eine neue Heimat in der Staatsidee des Kommunismus. Sie werden Lehrerinnen in Ost-Berlin. Schon bald entpuppt sich das neue System als brüchig. Rosa flieht in den Westen. Almut bleibt und muss die Trennung von ihrer besten Freundin verwinden.

Peggy Mädler beschreibt ihre Romanheldin Almut als die "Zurückgezogene, die auch lange Zeit versucht im Schweigen, das Weggehen von Rosa zu bewältigen und erst spät darauf kommt, dass das Erzählen und Aussprechen der eigenen Geschichten und Erfahrungen auch sowas wie ein Zuhause sein kann, sowas wie eine Befreiung oder auch Heimat sein kann", sagt die Autorin. Heimat sei für sie ein sehr heterogener Begriff. Das betont Peggy Mädler - auch dafür stehe ihr Roman. Freundschaft könne eine Heimat sein – aber auch das Erzählen, der Erinnerungsraum und Sprache könne ein Ort sein, wo man sich heimisch und zuhause fühlen könne, sagt sie.

Erst mit 11 Jahren von Gott gehört

Wie verwinden Menschen Verluste? Nein, korrigiert Peggy Mädler, in ihrem Roman gehe es eher um Brüche im Leben, nicht um Verluste, denn nach den Abschieden, nach dem Weggehen, gebe es immer auch ein Ankommen. 'Wohin wir gehen' ist ein beeindruckender, berührender Roman, auch weil hier die Geschichte des vergangenen Jahrhunderts aus der Perspektive von Frauen erzählt wird, keineswegs passiven Frauen, sondern Frauen, die sich den Brüchen in ihrem Leben stellen - und am Ende wie Almut ihr Leben, trotz aller Schicksalsschläge, lieben lernen.

Peggy Mädler sagt von sich, sie sei Atheistin. Erst als 11jährige habe sie überhaupt von der Möglichkeit gehört, dass man an einen Gott glauben könne. Natürlich könne kein Mensch ausschließen, dass es etwas gebe, was sich außerhalb von uns Menschen und dem Menschsein befinde, sagt sie. Sie aber interessiere sich nicht für diesen Außenraum sondern mehr für das, was innerhalb und unter den Menschen zähle. Für sie als Atheistin stelle sich natürlich die Frage, was nach dem Tod bleibe? "Die Erzählung und die Erinnerung bleiben zurück und ich glaube, dass man die Geschichten und Erzählungen seiner Eltern und Großeltern, auch der längst Verstorbenen, noch in sich trägt", sagt Mädler.


Quelle:
DR