Neuer Bildband zeigt Dämonen, Fratzen aber auch ganz menschliche Gesichter

Wasserspeier des Kölner Domes

Schaurig sehen sie aus, die Wasserspeier hoch oben am Kölner Dom. Teufelsgestalten mit offenen Mündern, auf dem Sprung, als wollten sie einen verschlingen. Aber es gibt diese Wasserspeier auch als harmlosere Gestalten, als kölschen Geißbock oder ein anderer Wasserspeier, in dem ein Steinmetz seine Frau barbusig verewigt hat. "Wasserspeier des Kölner Domes" heißt ein neuer Bildband, der die meisten der 123 Wasserspeier zeigt.

 (DR)

"Ein Wasserspeier ist ein Fabelwesen, das waagerecht aus der Wand herausragt, und das dazu dient, das Wasser nach unten abzuleiten. Damit das Regenwasser das Mauerwerk nicht zerstört, leiten die Wasserspeier das Wasser in weitem Bogen wegspeiend davon," erklärt Dr. Matthias Deml. Der Kunsthistoriker aus der Dombauhütte hat gemeinsam mit Dr. Klaus Hardering, dem Leiter des Dombauarchivs, die Texte zu dem Bildband über die Wasserspeier geschrieben. Neben dem Schutz der Mauern vor Regenwasser hatten die als Dämonen gestalteten Wasserspeier im späten Mittelalter noch eine zweite Funktion. "Sie sollten das Böse bannen, vom Bau fernhalten", sagt Matthias Deml, "indem man dem Bösen quasi den Spiegel vorhält. Damals war man überzeugt, dass in Unwettern, in Gewittern Dämönen den Bau angreifen könnten, und indem man ihnen sich selbst vor Augen geführt hat, haben sie Angst bekommen und sind weg gegangen".

Wasserspeier mahnt zur Treue

Später, im 19. und 20. Jahrhundert, kamen Wasserspeier hinzu, die ganz anders gestaltet sind. Aus den Dämonen werden eine Art "Moralapostel", das heißt, die Figuren sollten dem Betrachter ihre Laster und Sünden vor Augen führen und sie zur Besserung mahnen. "Da sieht man zum Beispiel ein engumschlungenes junges Paar, eine Frau und ein Mann, die allerdings auseinandergerissen werden. Die Arme suchen sich noch, aber die Köpfe gehen schon auseinander", erzählt Matthias Deml, "der Dombildhauer wollte mit diesem Wasserspeier die zunehmenden Ehescheidungen mahnend thematisieren". Aber auch Figuren aus dem realen Leben sind im 20. Jahrhundert als Wasserspeier in Stein gehauen worden, zum Beispiel Abbildungen von Mitarbeitern der Dombauhütte. "Ein besonders schöner Wasserspeier ist der sogenannte Rechenschaftsbericht", erzählt Klaus Hardering, "der zeigt den Steinmetzmeister Heinrich Wingender, der zugleich auch Betriebsratsvorsitzender war, und offenbar mit einem Rechenschaftsbericht einen so großen Eindruck hinterlassen hat, dass die Bildhauer ihn als Wasserspeier geschlagen haben".

Ein barbusiger Wasserspeier

Die ganz verschiedenen Wasserspeier sind eindrucksvoll von Maximilian Gierden fotografiert worden und in dem neuen Bildband zu sehen. Über eine Figur wundert man sich allerdings - da ist eine dralle, pudelnackte Frau zu sehen. "Diese unbekleidete Dame ist die Gattin eines Bildhauers in der Dombauhütte gewesen", erklärt Klaus Hardering, "in der Entstehungszeit des Wasserspeiers kam das nicht so gut an, weshalb die barbusige Dame eine Weile im Hüttenhof gestanden hat, weil man sich nicht traute, sie einzubauen. Aber die Zeiten haben sich gewandelt, so dass man sie – wenn auch etwas versteckt – so doch am Dom eingebaut hat". Matthias Deml schwärmt von den Fotografien der vielen Wasserspeier des Kölner Domes: "Wenn man unten am Dom vorbei geht, dann sieht man die Wasserspeier, dann nimmt man sie wahr, aber man sieht nur die Silhouetten, die Details sieht man nicht. Diesen unglaublich phantasievollen Reichtum an Bilderfindungen, den kann man erst richtig studieren, wenn man sie aus der Nähe sieht. Dem Fotografen Maxilimilian Gierden ist es da hervorragend gelungen über Jahre auf die Pirsch gehend bei allen Wetterlagen, diese Wasserspeier einzufangen und wirklich zum Leben zu erwecken".