Mathijs Deen über die Liebe im Roman 'Unter den Menschen'.

Wenn es Vertrauen gibt, ist die Einsamkeit nicht so schlimm

"Unter allem liegt eine Sehnsucht nach Liebe", sagt Mathijs Deen. Im Roman 'Unter den Menschen' läßt er eine Frau und einen Mann am Meer aufeinandertreffen. Die Zwei blicken ganz unterschiedlich auf die Welt und lernen sich erst im Lauf der Geschichte lieben.

Mathijs Deen / © Merlijn Doomernik  (mare)
Mathijs Deen / © Merlijn Doomernik ( mare )

Was also ist die Liebe? Wann und wie glückt eine Beziehung? Das sind die großen Fragen, die auch den Roman von Mathijs Deen grundieren. Der niederländische Autor macht es seinem Liebespaar dabei nicht einfach. Jan und Wil lernen sich über eine Zeitungsanzeige kennen. Sie kommt aus der Stadt, aus Amsterdam und flieht vor den Unwägbarkeiten des Lebens. Sie sucht die Einsamkeit des Meeres und einen Mann, den sie kontrollieren kann. Wil hat Angst vor Enttäuschungen, auch Angst vor der Liebe, die immer gefährlich und unvorhersehbar bleibt. In ihrer Kindheit und Jugend hat sie unter den Streitereien der Eltern gelitten. Auf ihr lastete die Erwartung, für den familiären Frieden verantwortlich zu sein – eine für ein Kind viel zu hohe Erwartung. Auch deswegen ist sie vor der Familie geflohen.

Sich in der Liebe kennen lernen

Jan hingegen lebt ganz in der Tradition seiner Familie. Er führt den Bauernhof seiner verstorbenen Eltern fort. Alles, was er hat, hat er von seinen Eltern, aber ohne sie ist er einsam. Jan hängt an der Vergangenheit, die Wil abschütteln will. Eigentlich kann das nicht gut ausgehen – wenn da nicht die Liebe wäre, nach der sich die beiden einsamen Menschen so sehr sehnen. Trotz aller Widrigkeiten bleiben sie zusammen und lernen sich kennen und am Ende auch lieben.

Die Natur als Protagonist

Mathijs Deen erzählt diese Liebesgeschichte in einer klaren und knappen Sprache, ganz auf das Wesentliche bedacht. Am Meer wird nicht viel gesprochen, da sind es die Gesten und Handlungen, die viel beredter sind, als es ausufernde Beziehungsgespräche sein können. Dabei stellt der Autor die beiden Hauptpersonen in eine Natur, die selbst zum Protagonisten wird. Das Meer gibt ihnen Antworten, indem es die Gefühle von Jan und Wil spiegelt. Es zeigt ihnen, dass nur sie selbst Antworten auf ihre Fragen finden können. Jan und Wil lernen, auf ihre unauflösbare Unterschiedlichkeit Rücksicht zu nehmen. Sie bleiben beieinander, weil sie ihre Einsamkeit im Vertrauen aufeinander und in Liebe zueinander respektieren.

Einsamkeit ist nicht so schlimm

Im DOMRADIO.DE Interview erzählt Mathijs Deen, dass er selbst 22 Jahre glücklich verheiratet ist und dass seine Beziehung sich ständig verändere. Im Lauf einer Ehe müsse man dem Partner die Chance geben, sich Freiheiten zu bewahren. "Und nicht zu viel Kontrolle. Vertrauen ist besser", sagt er.

In sich selbst sei der Mensch immer allein, ist Deen überzeugt. Das teile jeder Leser mit seinen beiden Romanhelden Jan und Wil. Vom Partner dürfe man nicht erwarten, dass er die innere Einsamkeit des Gegenübers auflöse. "Aber ist es so schlimm, dass man in sich selbst einsam und allein ist?", fragt Deen weiter. "Für die eigene Würde ist ein Zimmer für sich selbst wichtig, das man einrichten kann, wie man will, und wo man sich ein wenig zurückziehen kann – um dann wieder nach draußen zu gehen. Wenn es Vertrauen gibt, dass man in der Not mit dem anderen sprechen kann und dass man akzeptieren kann, wo die Grenzen sind, ist die Einsamkeit nicht so schlimm".


Quelle:
DR