Marion Poschmann pilgert mit ihrem Romanhelden zu den japanischen Kieferninseln

Der Mondschein auf Kirschblüten

"Die Kiefer steht für Alter und Weisheit. In dem für Japan bedeutenden Baum haben auch die Götter ihren Sitz." Marion Poschmann ist vor drei Jahren zu den japanischen Kieferninseln gereist. Das hat sie so fasziniert, dass sie die Inseln jetzt zum Thema in ihrem Roman ´Die Kieferninseln´ gemacht hat.

Autorin Marion Poschmann / © Arne Dedert (dpa)
Autorin Marion Poschmann / © Arne Dedert ( dpa )

"Undenkbar in Deutschland, dass man sich irgendwohin auf den Weg machte wegen eines einfachen Baums, wegen Blättern", schreibt Marion Poschmann in ihrem Roman. Ihr Romanheld Gilbert Silvester macht sich aber auf den Weg zu den in Japan legendären Kieferninseln. "Seit Jahrhunderten fahren japanische Dichter zu den Kieferninseln. Das hat mich neugierig gemacht", sagt die Autorin. Gilbert Silvester ist Kulturwissenschaftler, ein Privatdozent in Deutschland. Hals über Kopf bricht er auf. Er wird von einer großen Unruhe getrieben. Aus eher merkwürdigen Gründen verlässt er dann seine Frau. "Er träumt, dass seine Frau ihn betrogen hat", erklärt Poschmann. "Dieser Traum verfestigt sich für ihn dann zu einer solchen Realität, dass er ihn zum Anlass nimmt, ganz abrupt aufzubrechen, zum Flughafen zu fahren und den ersten Flug zu nehmen, den er bekommen kann und der führt ihn dann zufällig nach Tokio."

Ein Ausflug in den Selbstmordwald

In Japan trifft er den jungen Studenten Yosa. Er rettet ihm das Leben, denn Yosa will sich umbringen. Gilbert verhindert, dass er sich vor den Zug wirft. Die beiden reisen dann durch Japan – auf der Suche nach den besten Selbstmordorten. So kommen sie in den Selbstmordwald, den es tatsächlich in Japan gibt, wie Marion Poschmann erzählt: "Sehr viele Menschen nehmen sich in diesem Wald jedes Jahr das Leben. Die Golden Gate Bridge in den USA ist im Ranking der beliebtesten Selbstmordorte Nummer eins, und dieser Wald rangiert gleich auf dem zweiten Platz." Köstlich komisch ist es, wie die Autorin über den Selbstmordwald erzählt, wie überhaupt in dem Roman vieles auch urkomisch zu lesen ist. "Ich habe versucht, das ganze mit Humor zu schildern", sagt die Autorin, "wobei meine Figuren ja auch teilweise recht komisch sind. Sie verhalten sich etwas eigenartig." Die beiden ´Pilger´, der nach Sinn suchende Deutsche und der todessehnsüchtige Japaner reisen dann zu den legendären Kieferninseln. Das ist ein ewig alter Pilgerort in Japan, der zu den schönsten Orten im ganzen Land zählt, verehrt und besungen von vielen prominenten japanischen Dichtern. "Schon der Dichter Matsuo Basho hatte vor gut 400 Jahren den Wunsch, den Mond über diesen Kieferninseln aufgehen zu sehen und aus diesem Anblick die Erneuerung seiner Dichtkunst zu gewinnen", schwärmt die Autorin. "Mein Held Silvester bekommt das Buch von Basho zufällig in die Hände und liest etwas über die Kieferninseln und setzt sich in den Kopf, er möchte auch dorthin." Olle Kiefern als Ziel einer Pilgerreise? Das klingt für uns im aufgeklärten Westen Europas merkwürdig und sehr verschroben. "Olle Kiefer darf man natürlich nicht sagen", erläutert Marion Poschmann, "es hängt natürlich immer davon ab, mit welchem Blick man auf einen Gegenstand schaut." Gilbert erlerne auf seiner Pilgerreise die Kunst der Betrachtung, sagt sie. "Am Anfang redet er auch etwas abwertend über die Bäume, indem er sagt, Kiefern gibt es doch in jedem Brandenburger Forst – was soll das besondere an diesen japanischen Kiefern sein? Er lernt dann die Schönheit der Kiefern mit neuen Augen zu sehen, die Tradition dieser Kiefern, die im japanischen Kontext eine ganz besondere, eine aufgeladene ist."

Die Kirschblüte - Symbol für Schönheit und Tod

Der Romanheld Gilbert sehnt sich nach Erkenntnis, Erlösung und Erleuchtung. Er sehnt sich nach "dem Mond, nach Mondschein auf Kirchblüten." Am Ende des Romans steht er am Fenster hält eine Teetasse mit beiden Händen. "Für einen Augenblick fängt sich der Mond darin. Und In der Ferne lachen die Makaken", heißt es im Roman. Affen lachen, während Gilbert sich die Augen für die Schönheit der Welt öffnen und es ihm gelingt für einen Augenblick alles hinter sich zu lassen? Ausgerechnet da lachen Affen? Lachen die auch über ihn und seine Winzigkeit? "In meinem Buch sind die Dinge auch immer doppeldeutig. Sie behalten ihre Ambivalenz", sagt die Autorin. "Der Mondschein auf diesen Kirschblüten ist einerseits schön, andererseits - wenn man weiß, dass die Kirschblüte in Japan schön ist aber auch ein Symbol für den Tod ist, dann kriegt das noch einmal eine ganz andere Ebene."