Jochen Schmidt über Jugend ohne Gott in der DDR – und heute.

„Für mich bleibt ein lebenslanges Nachdenken“

„Plötzlich gingen die Leute in die Kirche, die eigentlich gar nichts dort zu suchen hatten“, erzählt Jochen Schmidt im domradio.de Interview: „Als die Kirchen nach der Wende ihre Ersatzfunktion, eine Öffentlichkeit zu erlauben, eingebüßt hatten, waren sie wieder leer“. Für den normalen Menschen im Osten spielte und spielt Gott keine Rolle: „Eine durchlebte Glaubenskrise kennen die Menschen gar nicht mehr“, sagt Schmidt.

Jochen Schmidt / © Susanne Schleyer
Jochen Schmidt / © Susanne Schleyer

Der Autor Jochen Schmidt erzählt in seinem Roman „Schneckenmühle“ von einer Jugend in der DDR. „Man konnte sich ganz gut vom Staat fern halten und in seine Nische zurückziehen, in die Familie, in die Kirche, bei irgendwelchen Punkkonzerten. Da musste man sich gar nicht gegen die DDR auflehnen,  man hat sich einfach davon ferngehalten“.  Der Traum vom goldenen Westen habe sich damals in der Verehrung der Westprodukte gespiegelt, die man als Jugendlicher wie Fetische verehrt habe. „Der Westen war so etwas wie ein Jenseits, in dem Gerechtigkeit herrscht – so eine Traumwelt fehlt heute auch ein bisschen“, sagt Schmidt.

Der Schriftsteller ist in einer christlichen Familie aufgewachsen. Als Christ habe er sich in der säkular geprägten DDR wie ein Auserwählter zugleich aber auch wie ein Gezeichneter gefühlt. Wirklich zu realisieren, so wie Nitzsche das sagt: Gott ist tot, diesen Schock zu erleben, den würden die meisten Menschen doch gar nicht kennen, vermutet Schmidt: „weil sie sich noch nie die Gottesfrage gestellt haben. Weg zu sein, sterblich zu sein, das machen sich die Menschen doch gar nicht richtig bewusst. Um Atheisten zu sein, müssten die Menschen doch eine Glaubenskrise durchleben “, sagt Schmidt, der auf die Frage nach Gott antwortet: „Für mich bleibt da ein lebenslanges Nachdenken“.


Jochen Schmidt / © Susanne Schleyer
Jochen Schmidt / © Susanne Schleyer