Literaturnobelpreis für Peter Handke

"Ich glaube an den Gottesdienst"

"In Handkes Werk finden sich immer wieder Spuren, wo er seine Erfahrungen mit katholischer Liturgie verarbeitet", sagt Jan-Heiner Tück. Zum Literaturnobelpreis ein Interview mit dem Dogmatiker und Literaturexperten über Handke und die Kirche.

Der österreichische Schriftsteller Peter Handke / © Barbara Gindl (dpa)
Der österreichische Schriftsteller Peter Handke / © Barbara Gindl ( dpa )

Peter Handke ist im Priesterseminar Marianum im österreichischen Maria Saal ins Internat gegangen. Als 12-jähriger, auf eigenen Wunsch, wie er selbst sagt. Die katholische Kindheit und Jugend wirkt auch in seinen Büchern nach. In einem Interview sagte Handke: "Wenn ich die Worte der Heiligen Schrift höre, die Lesung, die Apostelbriefe, die Evangelien, die Wandlung miterlebe, die Kommunion und den Segen am Schluss, Gehet hin in Frieden! Dann denke ich, dass ich an den Gottesdienst glaube. Ich weiß nicht, ob ich an Gott glaube, aber an den Gottesdienst glaube ich".

Jan-Heiner Tück ist katholischer Professor für Dogmatik in Wien und Literaturexperte. Er ist ein großer Peter Handke Verehrer. "Im Literaturbetrieb ist es ja eher verpönt Aussagen zur Konfession zu machen", sagt Professor Tück, "und auch Handke verwahrt sich zu Recht gegen theologischer oder kirchlicher Vereinnahmung. Dennoch legt er hier ein Bekenntnis ab, dass er eben an den Gottesdienst glaubt, weil der Gottesdienst ein Ensemble von Worten und Zeichen von einer gewissen Kraft ist, die ihn überzeugt".

Handke lässt offen, ob er an Gott glaubt

Handke einen katholischen Schriftsteller zu nennen, wäre eine übergriffige Vereinnahmung, gegen die sich der Dichter wehren würde. Wenn er aber kein katholischer Autor ist, so ist er doch ein Schriftsteller, der katholisch geprägt ist und ein Glaubensskeptiker. "Er glaubt an den Gottesdienst, wie er sagt", erläutert Tück, "und gleichzeitig lässt er offen, ob er an Gott glaubt. Diese Frage hält er in der Schwebe, aber der regelmäßige Gottesdienstbesuch ist für ihn wichtig."

Zu Handkes religiöser Prägung gehört auch, dass er denen eine Stimme gibt, die nicht mehr sprechen können. Er lässt die Menschen weiterleben. Der Tod ist für den Dichter nicht das Ende des allen Lebens. "Die Solidarität mit den Toten, also den Verstummten eine Stimme zu geben, Leidenserinnerungen, Eingedenken, das sind Motive, die für ihn sehr wichtig sind", sagt Tück.

Handkes Romanheld empfindet die Freude der Eucharistie

Ein typisches Beispiel für die katholische Prägung Handkes in seinem Werk ist die Erzählung ´Der große Fall´. Da irrt ein suchender Schauspieler durch das Land. Der Romanheld hat eine große Sehnsucht. "Der Hunger nach mehr ist ein großes Motiv bei Handke", sagt Professor Tück, "selbst wenn alle Bedürfnisse befriedigt sind, gibt es etwas im Menschen, das darüber hinaus eine gewisse Unruhe und Sehnsucht freisetzt."

In der Erzählung ´Der große Fall´ kommt der umherirrende Schauspieler an einer Kirche vorbei, er besucht einen Gottesdienst, spricht danach in der Sakristei mit dem Priester, er ist berührt von dem, was da passiert. "Dann setzt eine Reflexion über das, was in der Messe geschehen ist, ein", fasst Professor Tück das folgende Geschehen zusammen. "Der Schauspieler hält fest, dass da ein Hintergrundgeräusch in seinem Bewusstsein ist, eine Freude, die sich von den üblichen Freuden des Alltagslebens unterscheidet." Diese Freude ist auch deswegen so groß, weil sie das Leiden der Welt nicht ausgrenzt, sondern durch das Leiden hindurch, durch den Tod Christi auferstehen und gefeiert werden kann.

Dabei zeigt sich Handke von der Eucharistiefeier, von der Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi beeindruckt. "Es werden in der Wandlung Worte über Dinge gesprochen und diese Worte haben eine die Wirklichkeit verändernde Kraft", erklärt der Professor für katholische Dogmatik Tück. "Das ist natürlich eine eigene Poetik, die da drin steckt. Gerade der Gedanke der Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi übt auf Handke eine besondere Faszination aus."

In Peter Handkes Werk werden diese religiösen Bezüge oft übergangen, beklagt Professor Tück. Für die Rezensenten in den Feuilletons scheinen die offensichtlichen Bilder aus dem religiösen und katholischen Leben in den Büchern Handkes keine Rolle zu spielen. "Seit den späten sechziger Jahren ist es im Literaturbetrieb einfach nicht schick, solche Themen anzusprechen. Das führt dann zu Rezeptionsverengungen und Blindheiten."

Um diese Blindheiten zu vermeiden, lohnt es sich, Peter Handke auch als einen Schriftsteller zu lesen und zu entdecken, der katholisch ist und das auch nicht verhehlt, empfiehlt der von der Literatur des Dichters begeisterte Theologe Professor Jan-Heiner Tück: "Es ist eigentlich schade, dass der Literaturbetrieb hier eine Entwicklung verschläft – wenn man das mal so scharf formulieren will - weil Religion inzwischen auch in der post-säkularen Öffentlichkeit wieder ein Thema ist."