Husch Josten über ihren Roman "Hier sind Drachen"

Nichts ist, wie es scheint

"Wenn es eine Wahrheit gibt, dann ist es doch die, daß nichts ist, wie es scheint", sagt Husch Josten im domradio.de Interview. "Wenn wir das begriffen haben, dann lohnt der Blick hinter die Kulissen immer". Husch Josten blickt in ihrem neuen Roman "Hier sind Drachen" hinter die Kulissen einer zutiefst verunsicherten Gesellschaft und fragt, was mutet die Gegenwart uns da gerade zu?

Husch Josten / © Brigitta Leber
Husch Josten / © Brigitta Leber

Die englische Journalistin Caren sitzt auf dem Flughafen und wartet, ihr Flug nach Paris verzögert sich. Seit Jahren berichtet sie über ihr Spezialgebiet: Terrorattentate. Es ist der 14. November 2015, am Tag vorher sind die Attentate in Paris geschehen. Sie wartet und zweifelt. Was passiert da gerade in der Welt?, fragt sie sich, was tue ich als Journalistin, wenn ich immer nur beobachte und wieder und wieder über Terroranschläge berichte. Hat das einen Sinn? Bislang war sie leidenschaftlich in ihrem Job unterwegs. "Caren ist in vielerlei Hinsicht unsicher", sagt Husch Josten über ihre Protagonistin. "Zum einen ist sie durch ihren Beruf den terroristischen und politischen Unsicherheiten ausgesetzt. Aber auch in ihrem Privatleben, weiß sie nicht, ob sie auf dem richtigen Weg ist".

Die Verunsicherung ist allgegenwärtig

Husch Josten zeigt geschickt, wie das private und das politische Leben miteinander verknüpft sind. Die Verunsicherung ist allgegenwärtig. Die Welt scheint aus den Fugen. Wo gibt es Sicherheit? Gibt es die überhaupt? Caren hat sich ein Liebesleben zurechtgelegt, das wie ein ökonomischer Deal wirkt. Sie ist viel unterwegs und teilt sich gemeinsam mit einer anderen Frau ihren Freund Ben. Weil sie schlechte Erfahrungen gemacht hat, will sie sich von der Liebe nicht abhängig machen. "Die leisen Zweifel, ob das alles so richtig ist, schiebt sie zur Seite, und das gelingt ihr – zumindest eine Weile", sagt Husch Josten. Doch dann fliegt ihr auf dem Flughafen die Welt um die Ohren. Ganz real, ein Anschlag passiert, eine Explosion, die ihr Dasein auf den Kopf stellt. Dabei offenbart sich für sie, daß auch privat mit ihrem Freund Ben alles ganz anders ist, als es scheint. Eine wichtige Rolle in dem Roman spielt ein älterer Herr, den Caren auf dem Flughafen scheinbar zufällig trifft, und den sie Wittgenstein nennt. Er ist ein Einflüsterer, ein guter Geist, ein Philosoph, ein lebenskluger Weiser. "Er sitzt völlig unbeabsichtigt da", sagt Husch Josten, "und er gibt ihr ganz viele Antworten, ohne dass sie jemals gefragt hätte".

Das Leben - Zufall, Schicksal oder göttliche Fügung?

Husch Jostens Roman stellt die großen Fragen, was ist Zufall, was Schicksal und was göttliche Fügung? "Diese Fragen können wir nur mit Haltung und Nachdenken für uns persönlich beantworten", ist die Autorin überzeugt, "was ist für uns Zufall, Schicksal und was göttliche Fügung – was sind wir bereit für uns zu akzeptieren". In ihrem Buch "Hier sind Drachen" umkreist Husch Josten packend und beeindruckend die Fragen, die uns zurzeit alle beschäftigen. Was macht das Leben gerade mit uns? Was mutet es uns zu und welche Geschichte, die wir uns über uns erzählen, ist wahr und zugleich auch unmöglich. "´Hier sind Drachen´ haben die alten Seefahrer, die die Seekarten erstellt haben, auf die Flecken der Landkarte geschrieben, die sie nicht kannten", erzählt Husch Josten. "Sie haben dann notiert: ´hic sunt dracones´, hier sind Monster, Ungeheuer, Drachen, Seeschlangen – oder weiß der Teufel, was da ist, aber wir haben Angst. Diese unbekannten, gruseligen Stellen, die wollte ich benennen".