Hilmar Klute über seinen Roman 'Was dann nachher so schön fliegt'

Der Lebenstraum, ein Dichter zu werden

Ein junger Mann träumt davon, Schriftsteller zu werden, muss aber zunächst zum Zivildienst. Hilmar Klute erzählt in 'Was dann nachher so schön fliegt' von einem Abenteurer, der 1986 vom Ruhrgebiet aus nach Berlin aufbricht, um ein Dichter zu werden.

Hilmar Klute / © Jan Konitzki (Galiani Verlag)

"In den achtziger Jahren gab es eine gewisse Lässigkeit, die heute nicht mehr da ist", sagt Hilmar Klute. In seinem Debut-Roman erzählt der Redakteur der Süddeutschen Zeitung, wie es damals war, erwachsen zu werden. Im Gegensatz zu heute wurden junge Leute in den Achtzigern nicht so streng ökonomisch an die Lebenslauf-Kandare genommen. Man musste eben nicht in vier Semestern zwei Bachelor machen, um konkurrenzfähig zu sein, sondern konnte fröhlich vor sich hin studieren und habe die Dinge auf sich zukommen lassen, sagt Klute aus eigener Erfahrung. "Die Bedingungen für bestimmte Berufe waren nicht so zugespitzt wie heute. Wenn man heute Journalist wird, muss man viel mehr Dinge können als zu meiner Zeit. Da hat es ausgereicht, dass man von bestimmten Dingen ein bisschen Ahnung hatte und gut schreiben konnte. Im digitalen Zeitalter muss man komplexe Dinge können, man muss programmieren können, man muss all die Dinge können, die ein schreibender Mensch so zunächst nicht drauf hat".

Harsche Konforntation mit Siechtum und Tod

Klutes Romanheld Volker Winterberg ist ein schreibender Mensch. Er ist jung und schreibt Gedichte. Er träumt davon, ein Schriftsteller zu werden. Zunächst muss er aber seinen Zivildienst antreten – im Ruhrgebiet, in einem Alten- und Pflegeheim, für ihn ein Sprung ins kalte Wasser des Lebens und eine verstörende Erfahrung, die auch der Autor gemacht hat. "Man hatte Abitur gemacht und kannte den Tod vielleicht vom verstorbenen Großvater", erzählt Klute. "Dieses tägliche Siechtum und die Intimitäten, mit denen man es dann im Seniorenheim zu tun hatte, waren für einen jungen Mann wie mich erschreckend und ein Problem, damit fertig zu werden". Es habe damals keine Anleitung zum Umgang mit dem Sterben, dem Siechtum und der Endlichkeit gegeben. In seinem Roman erzählt Hilmar Klute schonungslos vom Siechtum im Pflegeheim. Traurig ist das, oft aber auch witzig, weil der Zivildienstleistende Volker absurdeste Situationen mit den an Demenz erkrankten Alten erlebt. Sicher ist der Humor für den jungen Abiturienten auch ein Ventil, um die Konfrontation mit Tod und Sterben zu verarbeiten.

Und dann gewinnt Volker Winterberg bei einem Literaturwettbewerb und darf vom Ruhrgebiet nach Berlin fahren, um sich mit anderen Jungdichtern zu messen. "Berlin ist für ihn ein bisschen so wie das Ruhrgebiet", beschreibt Klute den Ausflug seines Romanhelden in die damals noch geteilte Stadt. "Aber die Atmosphäre ist natürlich politisch aufgeladen. Das weiß er ja auch alles und erlebt das. Er lernt dann eben auch Leute kennen, die in diesem einerseits so hedonistischen andererseits auch staubigen Berlin unterwegs sind. Nach und nach kommt er da rein und merkt dann auch, dass es eigentlich nicht so das Richtige für ihn ist. Es geht ihm schon bald auf die Nerven, dass sich hier vieles um sich selbst dreht".

Einen Milderungsschein für den blöden Alltag finden

In Berlin trifft Volker Winterberg andere berühmte Schriftsteller. Er stürzt sich in die Autorenszene. In seiner Phantasie träumt er sich in die legendäre Gruppe 47, die Hilmar Klute in seinem Roman entzaubert und als einen eitlen Männerbund beschreibt.

Die Verwirklichung des Traums vom schillernden Schriftstellerleben ist für den Romanhelden ein großes Abenteuer. "Er ist da eher naiv", beschreibt Klute ihn, "denn er kennt den Literaturbetrieb nicht und weiß nicht, dass man damit nur wenig Geld verdienen und in große Schwierigkeiten kommen kann, wenn man sich darauf einläßt". Das sei einfach so eine schöne Abenteuerlichkeit, die Volker Winterbeg sich lebendig halte und die den Roman dann auch antreibe, sagt Klute.

So erzählt der Autor die Geschichte eines jungen Abenteurers in den achtziger Jahren. Dabei gelingt es Hilmar Klute auch die ganz besondere Atmosphäre des Ruhrgebiets abzubilden, den Charme, den auch eine Stadt wie Hagen haben kann. Der Träumer Volker Winterberg durchstreift die Stadt – auf der Suche nach einem verstorbenen Dichteridol und auf der Suche nach seinem großen Ziel, selbst ein anerkannter Dichter zu werden.

Diese jungen Träumer gab es damals in den achtziger Jahren und die gibt es heute auch noch, ist Hilmar Klute überzeugt. "Es gibt viele junge Leute, die einen Traum haben. Das muss ja nicht Literatur sein, die aber davon träumen, sich in irgendeiner Weise zu erhöhen über das simple blöde Leben, das man so vor sich hat – so eine Verzauberung oder einen Milderungsschein zu finden für den Alltag und für das Leben. Das ist keine Generationenfrage, das wird es immer geben".


Quelle:
DR