Hanns-Josef Ortheil über die Reisenotizen von Émile Zola

"Meine Reise nach Rom"

"Das sind die exaktesten und detailreichsten Aufzeichnungen über Rom, die ich überhaupt kenne", sagt der Rom-Kenner und Bestsellerautor Hanns-Josef Ortheil über die Notizen "Meine Reise nach Rom" von Émile Zola. Er hat ein Nachwort zu dem Text geschrieben.

Petersdom bei Nacht / © Arnaldo Vescovo (dpa)
Petersdom bei Nacht / © Arnaldo Vescovo ( dpa )

1894 reist der französische Schriftsteller Émile Zola nach Rom, um für einen geplanten Roman zu recherchieren. Er will über einen Priester schreiben, der mit großen Reformideen und einem Reformprogramm zum Papst reist, um die Kirche wachzurütteln. "Das Reformprogramm des Priesters von Zola von vor 120 Jahren ist insofern interessant, weil es fast das franziskanische des Papstes der Gegenwart ist", erzählt Hanns-Josef Ortheil. "Es sind Erneuerungsideen für die Kirche, es ist ein Herab von den hohen Sesseln und unter das Volk. Im Roman von Zola hat dieser Priester dann auch die Chance dieses Reformprogramm dem Papst vorzulegen, der liest es und sagt: mein Sohn, das erste, was wir machen, ist, wir zerreißen es. Geh von dannen mit deinen furchtbaren Ideen."

"Zola hat ein erotisches Verhältnis zu seiner Umwelt"

´Rom´, so heißt der Roman über den idealistischen Priester Pierre, den Émile Zola vor über 120 Jahren geschrieben hat. Für diesen Roman hat der Autor Zola eine Recherchereise nach Rom gemacht. "Für Zola waren Romane immer auch Anlässe an die Orte zu gehen und er hat für jeden Roman unglaublich genau recherchiert", erzählt Ortheil. "Er ist durch die Straßen gegangen, hat mit den Menschen gesprochen. Er hat sich hunderte von Seiten Notizen gemacht und die dann später in den fertigen Roman eingebaut." Und genau diese Recherche-Notizen für Zolas Rom-Roman sind jetzt veröffentlicht worden. ´Meine Reise nach Rom´ heißen die beeindruckenden Aufzeichnungen, von denen der Rom-Kenner und Bestseller Autor Hanns-Josef Ortheil sogar sagt, Zolas Notiermethode sei ein erotischer Vorgang. "Man sieht die Anteilnahme an der Welt ringsum. Die Dinge scheinen zu ihm zu sprechen, ihn zu erwecken oder ihn etwas anzugehen", schwärmt Hanns-Josef Ortheil. "Man macht so etwas ja nicht, wenn man durch eine Umgebung läuft, die man als tot oder kalt empfindet. Man spürt die Umgebung und dieses Spüren setzt sich um in das genaue Notieren. Das ist ein erotisches Verhältnis zur Umwelt, die Zola hat", so Ortheil.

Notizen über den Alltag im Vatikan

Die Vorstudien zu dem Roman von Émile Zola lesen sich wie ein spannender Reiseführer. Zum Papst vorgelassen wird der französische Dichter allerdings nicht, obwohl er um eine Audienz bittet. Zola - mit seinen Reformideen - scheint dem Papst politisch zu verdächtig. Aber der Dichter hat viele Informanten in Rom, auch aus dem Umfeld des Papstes. Er beschreibt haargenau den Alltag im Vatikan. Der Papst, so heißt es, habe Kohleaugen wie Voltaire, er gleiche einer matt schimmernden Alabasterlampe, sein Gewand sei fleckig vom Tabakschnupfen, seine Tafel frugal. Genau schaut er sich Grundrisse an und vergleicht sie bei seinen spionageartigen Besuchen im Vatikan, denn er muss den nächtlichen Besuch seines Helden, des sozial engagierten, idealistischen Priesters beim Papst so glaubwürdig wie möglich ausgestalten. "Wir finden Notizen, wie die Gemächer des Papstes aussehen, wer dann wo sich dort aufhält und wann", sagt Ortheil über den Text.

Hanns-Josef Ortheil scheut sich nicht die Reise-Notizen von Émile Zola in eine Reihe mit Goethes ´Italienischer Reise´ zu stellen. Ja, sagt Ortheil, die Notizen Zolas seien sogar noch detailreicher und klarer geschrieben. Mit ganz unschuldigen Augen rücke Zola Rom in ein einmalig erhellendes Licht. "Zola war einfach der präziseste Beobachter und der genaueste, der Rom so beschrieben hat wie kein anderer", schwärmt Ortheil.


Hanns-Josef Ortheil vor dem Kölner Dom / © domradio
Hanns-Josef Ortheil vor dem Kölner Dom / © domradio