Guy Helminger über 'Die Tagebücher der Tannen'

Die Wurzeln unseres Daseins

Was ist unter der Erde? Bäume leben von ihrem unsichtbaren Wurzelwerk. Wie ist das bei Menschen? Wo sind unsere unsichtbaren Wurzeln? 'Die Tagebücher der Tannen' nennt Guy Helminger seinen neuen Gedichtband. Darin sucht er nach der Rückseite der Oberfläche.

Guy Helminger / © privat (privat)
Guy Helminger / © privat ( privat )

"Ein Zen-Meister sitzt mit seinem Jünger am Meer und der Jünger schwärmt 'Wie großartig das Meer ist'. Und der Meister antwortet 'Ja – und dabei sehen wir nur die Oberfläche'". Mit einer Zen-Weisheit erklärt Guy Helminger im DOMRADIO.DE Interview, warum er seinen Gedichtband 'Die Tagebücher der Tannen' genannt hat. Der größte Teil des Wesentlichen liegt im Unsichtbaren. "Ein Baum hat ein unfassbares Wurzelwerk", erklärt Helminger, "da entsteht eigentlich alles. Da sind die Notizen, das heißt, man muss eigentlich viel tiefer gehen als das, was man sieht". Helminger will mit seinen Gedichten in die Böden hineingehen, um zu erfahren, was das denkt, was über den Böden ist. Damit wagt er Blicke unter die Oberfläche, in das Wurzelwerk unseres Daseins. "Ich möchte versuchen, eine Erkenntnis zu erlangen, was hinter dem Sein sein könnte", sagt der Autor.

Über atemlose Augenblicke

Helmingers Gedichte nähern sich dem an, was kaum in Worte zu fassen ist. Er tastet nach Bildern für das unsagbare Staunen, das uns manchmal überfällt. "Das kennen bestimmt viele Menschen", sagt der Autor. "Ich hatte das einmal ganz stark auf einer Reise im Jemen. Ich biege um eine Ecke in der Stadt Sanaa und plötzlich ist da das Glück. Das ist ein emotionaler Zustand, den man kaum erfassen kann, der einem die Gänsehaut über den ganzen Körper treibt". Das sei ein atemloser Augenblick, beschreibt Helminger dieses Glücksgefühl. Man wisse nicht, woher dieses Gefühl komme. "Das ist für mich der Moment, wo ein Gedicht hinlangen kann".

Der Wind bremst in der Tempo 30 Zone

Helminger läßt Gegenstände aus dem Alltag auf das große Ganze treffen. Daraus entsteht eine ungeheure Spannung zwischen dem, was uns jeden Tag umgibt und dem, was uns weit darüber hinaus ausmacht. Das sind dann zum Beispiel Spannlaken, von Maulwürfen für die Nacht gefaltet, für die Rückenansicht der Waldböden. In einem anderen Gedicht bremst der Wind in einer Tempo 30 Zone. "Wer jemals in Irland an den Klippen stand und Wind erlebt hat, kennt das. Da denke ich dann immer, ich muss diese Ode von Shelly 'to the West Wind' hinausschreien'" sagt Helminger. "Das ist so unfassbar, dass man dann natürlich versucht, das herunterzubrechen. Es ist nur Wind – und dann bremst der bei mir in der Tempo 30 Zone. Es ist dieses Wechselspiel von diesem Unsagbaren, das man zu bändigen, zu verstehen, in das man hineinzukommen versucht".

Tipp: Lesung 'Die Tagebücher der Tannen' mit Guy Helminger und Markus Berges (Erdmöbel) am 15.01. um 19 Uhr 30 im Literaturhaus Köln, Großer Griechenmarkt 39


Quelle:
DR