Gregor Sander über seinen Roman ‚Alles richtig gemacht‘.

„Ich fühle mich vor dem Leben, das mich begeistert, sehr klein“

Wer macht im Leben schon alles richtig? Was ist schicksalhaftes und was hausgemachtes Unglück? Gregor Sander wirft in seinem Roman ‚Alles richtig gemacht‘ einen begeisternden Blick auf das pralle Leben mit all seinen spannenden Nebenwirkungen.

Gregor Sander / © Thorsten Futh (Verlagsgruppe Randomhouse)

Thomas ist mit seinen 50 Jahren in der Mitte des Lebens angekommen. „Wo man ohnehin schon verunsichert genug ist“, sagt Gregor Sander über seinen Romanhelden, „verunsichert, wegen des Alters und des beginnenden Verfalls und jetzt sind auch noch seine Frau und seine Kinder weg, die ihm Sicherheit gegeben haben“. Der Autor schickt seinen Helden in eine verschärfte Lebenskrise. Thomas kommt nach Hause und seine Frau hat sich mit den beiden Töchtern aus dem Staub gemacht. Stattdessen taucht Daniel auf, sein bester Freund aus alten Tagen. In Rückblenden erzählt Sander die Geschichte dieser Freundschaft. Thomas und Daniel, zwei Freunde, die allerdings ganz unterschiedlich sind, wie der Autor betont. „Thomas reflektiert mehr und ist schüchterner und etwas ängstlich. Daniel ist der emotionale Draufgänger, der denkt nicht erst lange darüber nach, bevor er etwas macht, sondern er macht einfach“. Das helfe ihm manchmal, sagt der Autor, und mache ihn auch spannender. Aber der Cowboy Daniel verliere auch an Charme, je älter er werde.

Lichtenhagen ist nie aufgearbeitet worden

Thomas und Daniel sind in Rostock aufgewachsen. Nach der Wende geraten die Jugendlichen in Konflikt mit den Glatzen, mit Nazibanden. Der Autor ist selbst im Osten aufgewachsen und kennt diese heftigen Konflikte. „Es gab ja in der DDR schon Glatzen und Nazis. Das war jetzt nicht völlig neu“, erzählt Sander. „Dann haben sich die Probleme Anfang der neunziger Jahre generell potenziert – mit der Zunahme der Arbeitslosigkeit und mit der großen Verunsicherung durch dieses neue System, was ja eigentlich ein Großteil der Bevölkerung wollte, aber dann – Anfang der Neunziger war die Arbeitslosigkeit bei 25 Prozent, da war natürlich Druck auf dem Kessel und da vermehrte sich das Problem des Rechtsradikalismus“. Darüber habe er schreiben wollen, das sei ihm ein Bedürfnis gewesen. Dabei sagt Gregor Sander auch, dass die Politik hier versagt habe und dass Gewaltexzesse wie in Lichtenhagen auch heute noch immer wieder passieren könnten. „Das ist nicht aufgearbeitet worden, finde ich. Wir haben da alle, die Politik aber auch die Gesellschaft weggeguckt und irgendwie gehoffte, dass sich das von alleine erledigt, das Problem, was es nicht getan hat“, sagt Sander.

Der besondere Aufbruch in Berlin nach dem Mauerfall

Zurück zu seinen Romanhelden Daniel und Thomas. Die beiden ziehen von Rostock nach Berlin und erleben dort nach dem Mauerfall eine Stadt im Aufbruch. „Das Schöne an solchen Situationen wie Anfang der neunziger Jahre in Berlin ist, dass einem das nicht bewußt war“, beschreibt der Autor die Atmosphäre in der Stadt damals. „Diese Leute, die da illegale Bars gegründet haben und verrückte Sachen gemacht haben, denen war das gar nicht klar, die haben natürlich auch nicht auf so etwas wie Wirtschaftlichkeit geachtet. Aber als das Geld dann in die Stadt kam, war es mit dieser spannenden Zeit vorbei“. Sanders Roman ist auch ein einfühlsamer Gesellschaftsroman über diese Aufbruchszeit in Berlin. Ihm gelingt es, diese ganz besondere Atmosphäre einzufangen, als sei man selbst mit dabei gewesen.

Die Liebe soll immer mehr und mehr

Die Freundschaft zwischen Thomas und Daniel verliert sich dann. Daniel verschwindet in der weiten Welt, während Thomas heiratet und ein gesetztes Leben als Jurist führt. Bis seine Ehe scheitert. Überhaupt – die Liebe, sie ist das Tor zum Glück, sie überfordert die Protagonisten aber auch. „Die Liebe soll ja auch immer mehr“, sagt der Autor, „sie soll in allen Punkten zwölf Punkte bringen. Sie soll leidenschaftlich sein. Sie soll vertrauensvoll sein. Man soll super gut miteinander reden. Der Sex soll stimmen. Wir fordern immer mehr und immer mehr und immer mehr …“.

Wir haben nicht alles in der Hand

‚ Alles richtig gemacht‘, diesen Titel hat Gregor Sander für seinen Roman gewählt, weil er so herrlich ambivalent sei. Denn 'Alles richtig gemacht' sei ernst und zugleich auch ironisch gemeint, so wie man dieses geflügelte Wort auch in der Alltagssprache benutzt. „Wenn alles in die Hose geht, und man hinterher guckt und fragt, ‚Was habe ich eigentlich falsch gemacht?‘ Und dann zu dem Ergebnis kommt, eigentlich habe ich gar nichts falsch gemacht. Vielleicht ist es dann das berühmte Schicksal, das - oder wie ich hier im DOMRADIO sagen könnte ‚Gott‘, der entscheidet. Manche Sachen kann ich auch nicht erklären. Man hat eben nicht alles in der Hand – und das mag ich an diesem doppeldeutigen Spruch ‚Alles richtig gemacht‘ sehr“.

Ich fühle mich vor diesem Leben sehr klein

Die Romanhelden Thomas und Daniel haben sicher nicht alles richtig gemacht. Sie sind aber nicht am Ende. Ihr Leben geht weiter – ramponiert, aber nicht zerstört und zur Auferstehung, zu einem Wieder-Aufstehen, berufen. Man kann nicht alles richtig machen, das erfahren die Romanhelden. Damit stellt Gregor Sander aber auch die Frage, was denn überhaupt ‚richtig‘ und was ‚falsch‘ im Leben ist – und was dem Leben einen Sinn gibt. „Ich bin jeden Tag von diesem Leben begeistert und auch überfordert“, schwärmt Sander, „und staune, was einem so passieren kann, was man so schaffen kann und was man auch nicht schaffen kann. Ich fühle mich vor diesem Leben sehr, sehr klein, so wie sich, glaube ich, auch der Christ sehr klein vor Gott fühlt. Im Grunde genommen ist es ein ähnliches Gefühl“.


Quelle:
DR