Felicitas Hoppe über "Prawda / Eine amerikanische Reise"

Eine märchenhafte Reise ins Land der Träume

"Wir können nicht anders. Amerika ist nun mal das Land unserer Träume", schreibt Felicitas Hoppe gleich zu Beginn ihres neuen Buchs mit dem Titel "Prawda / Eine amerikanische Reise". Die Autorin ist kreuz und quer durch die Vereinigten Staaten gefahren und hat ein Reisebuch geschrieben. Im Domradio.de Interview erzählt die Büchnerpreisträgerin von ihrer Pilgerreise, ihrer Herbergs- und Schatzsuche durch US-Amerika.

Felicitas Hoppe / © Tobias Bohm (Fischer)
Felicitas Hoppe / © Tobias Bohm ( Fischer )

"Bei aller Desillusionierung ist es ja nicht so, dass es diesen amerikanischen Traum vom Tellerwäscher zum Millionär nicht mehr gäbe und seien wir mal ehrlich, wir träumen eigentlich alle davon". Felicitas Hoppe hat sich auf die Spuren des amerikanischen Traums gemacht. Kreuz und quer ist sie durch das Land der Superlative gefahren. "Prawda" heißt ihr Buch einer amerikanischen Reise. "Prawda" heißt übersetzt Wahrheit, "Prawda" ist auch der Name der russischen Tageszeitung, in deren Auftrag vor 80 Jahren die beiden russischen Schriftsteller Ilf und Petrow durch Amerika reisten. Legendär geworden sind ihre Texte über das, wie sie es nannten: "eingeschossige Amerika".

Felicitas Hoppe ist den Weg der russischen Autoren noch einmal gefahren. Was sie gefunden hat? Unter anderem eine Reliquie, den letzten Atemzug des großen Automobilherstellers Henry Ford, aufbewahrt in einem Reagenzglas, ausgestellt in einem Museum. "Die Geschichte des Fortschritts, die unendlich viele Opfer gekostet hat und fortwährend kostet, muss stilisiert werden", ist Hoppe überzeugt, "und wenn man eine Ikone des Fortschritts nimmt, nämlich Henry Ford, und dann sieht, wie mit den Erinnerungsstücken verfahren wird, dann befinden wir uns in einem Raum der Heiligsprechung und des Reliquienkults. Hier kommt ein ganz starkes religiöses Element ins Spiel".

Der letzte Atemzug von Henry Ford

Verehrt wird hier kein Heiliger, sondern Henry Ford. Sein letzter Atemzug in einem Reagenzglas hat natürlich auch groteske Züge, weiß Felicitas Hoppe. "Es zeigt aber, und das ist ja viel wichtiger, die große, große Bedürftigkeit der Menschen, Geschichte und die großen Gestalten der Geschichte an diesen Requisiten und Reliquien festzumachen".

Das Jahr, in dem Felicitas Hoppe durch US-Amerika fuhr, war das Jahr 2015. Das war Vorwahlkampf, noch regiert Obama aber Donald Trump tritt schon sehr massiv auf. Viele Menschen aber, so erzählt Hoppe, schienen den Glauben an die Demokratie verloren zu haben. "Man stieß auf sehr viel Frustration, Ignoranz und Desinteresse, so nach dem Motto: ´So, da sind Wahlen. Na, dann sollen die mal wählen gehen. Für uns kommt doch sowieso nichts dabei heraus´. Ich habe dann manchmal aus Spaß gefragt, wer ist denn in ihrem Land der Senator. Eine Kassiererin antwortete mir: ´I don´t know, they come and go´. Interessiert mich nicht, sie kommen und gehen, also was soll´s´ ".

Märchen von fliegenden Autos und ewigem Leben im Silicon Valley

Und dann, daran führt in US-Amerika kein Weg vorbei, besuchte Felicitas Hoppe auch Silicon Valley. Dort wird an den abstrusesten Zukunftsvisionen getüftelt. Fliegende Autos, ewiges Leben, künstliche Intelligenz. "Es wäre nun unglaublich leicht gewesen, ein paar böse Nerd-Feindbilder oder ein paar abgedrehte Wissenschaftler zu beschreiben. Dann dachte ich aber, nein, endlich möchte ich mal, was ich immer schon einmal wollte, über Technik und Märchen schreiben und darauf hinweisen, dass alle technologischen Errungenschaften, über die wir heute verfügen, Überwindung von Raum und Zeit, Tischlein-Deck-Dich, fliegender Teppich etc., in den Märchen aufgehoben sind und deshalb war mir plötzlich klar, ja natürlich, die Jungs im Valley lesen Märchenbücher - und zwar den ganzen Tag".

Ihre Reise durch US-Amerika sei auch eine Pilgerreise gewesen, sagt Felicitas Hoppe, und eine Herbergssuche. In immer wieder anderen ganz eigenen und auch sonderbaren Motels kommen sie und ihre drei Reisegefährten unter. Und die amerikanische Reise ist, ganz klar, auch eine Schatzsuche. Go West – finde Glück und Gold, dafür steht Amerika und davon erzählt Felicitas Hoppe in ihrem Buch: "Am Anfang sind die Gesichter zu Boden gerichtet, weil sie glauben, dass sie dort grabend den Schatz finden werden. Als die Reise zu Ende ist, ist der Blick nach oben gerichtet, wo wir eines Tages garantiert den Schatz finden werden, den man bis heute vergeblich sucht. Nach 300 Seiten findet ein Perspektivwechsel statt – nämlich von unten nach oben. Das ist schön".