Felicitas Hoppe über 'Märchen für Heldinnen von heute und morgen'

Grimms Märchen als Kraftquellen

'In den alten Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat', so beginnt das Märchen vom Froschkönig. Felicitas Hoppe ist Fan der Grimmschen Märchen. Jetzt hat sie alle Märchen noch einmal gelesen und 30 ausgewählt, in denen Frauen im Mittelpunkt stehen.

Felicitas Hoppe / © Anita Affentranger (Fischer)
Felicitas Hoppe / © Anita Affentranger ( Fischer )

"Für mich war das eine absolute Wieder- und auch Neuentdeckung der Grimmschen Märchen selbst", schwärmt Felicitas Hoppe. Die Autorin hat für ein Märchenbuch dreißig Grimmsche Märchen für Heldinnen ausgewählt, in denen Frauen die Hauptrollen spielen. "Wenn ich jetzt sage, ich gucke mir mal eine Gruppe besonders genau an, und das sind in dem Fall die Frauen und die Mädchen in den Märchen, dann ändert sich das Lesen der Märchen insgesamt, und das ist interessant", sagt Hoppe, "man guckt dann auch anders auf die Männer oder auf die Zwerge oder auf die Tiere". Die Bestsellerautorin glaubt fest an die Macht und die Kraft der Verwandlung durch Erzählen. "Dass man Mädchen nur rechtzeitig wachküssen muss, damit sie bei Bedarf Frösche an die Wand werfen und zu Prinzen machen, dass ihre Haare stärker als Seile sind, dass sie aus Türmen entkommen und durch Mauern gehen können", beschreibt sie nur einige der wunderbaren Entwicklungen und Wandlungen prominenter Frauen in den Grimmschen Märchen.

Frauen in Grimmschen Märchen sind klug

Frauen in Grimmschen Märchen sind meistens arm dran. Sie werden zwangsverheiratet oder müssen niederste Arbeiten verrichten. Das sei aber nicht die ganze Wahrheit, sagt Felicitas Hoppe. "Bei genauerem Hinsehen sieht man plötzlich, dass diese Frauen in der Mehrheit der Fälle die Intelligenteren sind. Sie haben unglaublich viel Mut. Sie haben wahnsinnige handwerkliche Fähigkeiten. Sie sind rhetorisch begabt. Sie sind klug und durchsetzungsfähig".

Und die Frauen in den Märchen haben Vertrauen, haben Selbstvertrauen. Sie geben nie auf. Deshalb hat Felicitas Hoppe ein Kapitel mit ausgewählten Märchen in ihrem Buch auch mit 'Mut' überschrieben. "Dieser Mut, den diese Figuren aufbringen, durch den Wald zu gehen, aus ihrem Leben etwas zu machen, furchtlos zu sein – das ist in einer Zeit, die von unglaublicher Rigidität und Angst auch, überhaupt Dinge falsch zu machen, geprägt ist, natürlich wunderbar", schwärmt Hoppe.

Gemeinsamkeiten mit biblischen Geschichten

In einem anderen eher unbekannten Märchen hat Felicitas Hoppe direkte religiöse Bezüge entdeckt. Es heißt 'Das Meerhäschen'. "Die klügste Frau in den Grimmschen Märchen ist eine Königin, die geradezu gottgleich ist. Sie hat einen Turm mit zwölf Fenstern und will nur den Mann heiraten, der in der Lage ist, sich vor ihr zu verstecken, weil sie alles sieht", erklärt Hoppe. "Wenn man das genau nimmt, dann ist man in einer biblischen Parallele – also viel haben Grimms Märchen mit der Bibel gemeinsam. Hier haben wir eine gottgleiche Königin. Diese Fähigkeit einer Frau zuzuschreiben!, da gibt es keine vergleichbare Männerfigur".

Wir können aus Märchen erstaunlich viel lernen, ist Felicitas Hoppe überzeugt. "Die Märchen zeigen uns, dass die Welt eben nicht perfekt ist, dass es Leid und Unglück und unlösbare Geheimnisse gibt. Aber wir können die Grausamkeiten der Welt durch unsere Wunschkraft und durch unseren Mut überwinden". "Das bedeute jetzt nicht, dass wir die Welt revolutionieren müssten. Es gebe keine Revolution im Märchen, sagt die Autorin. Das Märchen sei nicht klassenkämpferisch in dem Sinne. Aber es träume davon, selber einmal die Krone zu tragen. "Das ist eine Ausrichtung auf eine Erlösung, die im Hier und Jetzt nicht erfolgen kann, die aber durch das Wünschen vorangetrieben wird. Das ist die eigentliche Botschaft", ist Hoppe überzeugt.

Märchen als Therapeutikum

Märchen könnten wie ein Therapeutikum wirken, und seien besser als alle Ratgeberliteratur, sagt die Autorin, die häufig, wenn es ihr nicht gut geht, auch zu den Märchen greift. "In diesen Märchen ist eine Kraftquelle, so wie ein Brühwürfel, den werfe ich dann ein und dann habe ich eine nahrhafte Suppe und denke, natürlich: Aufstehen, losgehen, auch biblisch, stehe auf, nimm Dein Bett und geh, geh hinaus, stell dich den Dingen, der Flucht, dem Krieg, der verlorenen Liebe, der Enttäuschung – aber was du am Ende des Waldes findest, weißt du nicht".

Dreißig 'Grimms Märchen für Heldinnen von heute und morgen' hat Felicitas Hoppe ausgewählt. Klar, da muss sie uns am Schluss auch verraten, welches Märchen denn ihr Lieblingsmärchen ist? "Mein persönliches Lieblingsmärchen ist 'Der Teufel mit den drei goldenen Haaren'", sagt die Autorin. "Da gibt es ein Glückskind mit einer Glückshaut, das durch die Welt kommt, weil es der Großmutter des Teufels vertraut und für sich selbst in Anspruch nimmt, alles zu wissen, obwohl es selber weiß, dass es nichts weiß. Es ist ein Märchen der Selbstbehauptung im Bewußtsein der eigenen Unwissenheit und besser geht es nicht".


Felicitas Hoppe / © Tobias Bohm (Fischer)
Felicitas Hoppe / © Tobias Bohm ( Fischer )
Quelle:
DR