David wagner über seinen Roman "Leben".

"Ich habe ein Wunder erlebt."

„Das Wissen um die Endlichkeit und das Wissen um die Zerbrechlichkeit des Lebens ist auch ein Privileg“, sagt David Wagner im domradio.de Interview. Der Autor war sterbenskrank, nur eine Lebertransplantation konnte ihn retten. Die Geschichte seiner Lebensrettung erzählt David Wagner in seinem Buch „Leben“, das mit dem Leipziger Buchpreis ausgezeichnet wurde.

David Wagner / © Susanne Schleyer
David Wagner / © Susanne Schleyer

„Es hat auch etwas Tröstendes um die Vergänglichkeit des Körpers zu wissen“, sagt Wagner: „weil es uns dafür sensibilisiert, dass das Leben ein Geschenk ist, und wie sehr es ein Geschenk ist, wenn man es zum zweiten Mal erhalten hat“. In seinem Buch erzählt der Autor in scheinbar kühler Distanz von seiner lebensbedrohlichen Krankheit und der schweren Operation. Er wird gerettet, und er erkennt, wie schön das Leben ist. In kleinen Miniaturen beschreibt der Autor den Baum vor seinem Fenster, der ihm zuzuwinken scheint oder den Genuss der ersten Tasse Kaffee nach der Operationsqual. Dazwischen erfahren wir viel vom Krankenhausalltag, von den anderen Patienten und ihren Geschichten.

Wagner lässt uns in seine Krankenakten blicken. Das Fachchinesisch der Ärzte schreckt ihn aber nicht, er bewundert die fremde Sprache, die aus einem anderen exotischen Land kommt, die ihm aber auch zeigt, in diesem Land wird mir geholfen.

Gott und Religion tauchen in seiner Krisensituation nicht auf. Im domradio.de Gespräch wundert sich der Autor selbst darüber, warum der Glaube kein Thema des Romans ist: „Das hat mit einer gewissen Scheu vor dem Thema zu tun. Ich habe lange überlegt, ob ich den Protagonisten zu seinen Kindergebeten zurückkehren lasse, hatte dann aber das Gefühl, das passt nicht.“ Trotzdem hat der Patient nebulöse Jenseitsvorstellungen. Die Toten sind nicht tot, sondern leben in seiner Erinnerung weiter. Seine verstorbene Mutter erscheint ihm, auch der Großvater. Die Spuren, die in Wagners Roman auf Religion und auf das höhere Sein verweisen, sind versteckt und werden erst auf den zweiten Blick sichtbar. Er trägt den Kaffeebecher wie einen Kelch beim Abendmahl vor sich her, und er spricht häufig von dem „Wunder“, das er erlebt hat: „Ich nenne das ein Wunder, weil ich immer noch darüber staune, was mir passiert ist. Manchmal wache ich nachts auf und frage mich, ist das wirklich geschehen: wurde mir ein Teil meines Körpers heraus geschnitten und wurde mir der Teil einer oder eines Toten eingesetzt?“