Christoph Schulte-Richtering über seinen Roman "32 Tage Juli".

"Mein Leben bestand aus Zweifeln, Grübeln und Versuchen"

Wie ist das, wenn man kurz bevor man fünfzig Jahre alt wird, einmal innehält und überlegt: Wo komme ich her? Wo stehe ich? Und wo will ich eigentlich hin? Der Autor Christoph Schulte-Richtering schickt seinen Romanhelden auf die Reise in die Vergangenheit. "Das ist eine Kombination aus Coming of Age Geschichte und Midlife Crisis Roman", sagt Schulte-Richtering im domradio.de Interview.

Christoph Schulte-Richtering / © Maya Claussen (Rowohlt)
Christoph Schulte-Richtering / © Maya Claussen ( Rowohlt )

Coming of Age heißt hier, zwei 19-jährige Jungs brechen Mitte der achtziger Jahre auf, um die Welt zu entdecken. Per Interrail fahren der Ich-Erzähler Jonas und sein Freund nach dem Abitur nach Portugal und erleben dort Freiheit, Liebe, Abenteuer. Gut dreißig Jahre später fahren die beiden noch einmal an die gleiche Stelle zurück. "Sie suchen dort ihre Vergangenheit", sagt Schulte-Richtering. Jonas hat kurz zuvor seinen Job verloren. Er hat also Zeit: "Mein Leben lag plötzlich vor mir wie ein weißes Blatt Papier – ich konnte auf einmal tun und lassen, was ich wollte. Eine einzigartige Gelegenheit, im Alter von siebenundvierzig Jahren einmal innezuhalten und zu überlegen: Wo komme ich her? Wo stehe ich? Und wo will ich eigentlich hin".

Ein Roman über Romantiker und Realisten

Schulte Richtering erzählt die beiden Geschichten parallel: Einmal die Reise der beiden 19-jährigen Abenteurer, unterbrochen von den Erlebnissen der Männer auf Spurensuche. "Die beiden 19-jährigen, die sich auf die Reise begeben, sind Romantiker", erzählt der Autor, "sie entdecken gerade ihr Leben. Sie suchen sich selbst, sie entdecken sich selbst, die Liebe, die Selbstständigkeit, die Unabhängigkeit. Sie finden das Leben. Und die 47-jährigen verabschieden sich von den ersten Dingen. Nicht mehr alles funktioniert, die laufen die hundert Meter nicht mehr in 14 Sekunden, die haben die ersten Zipperlein, die sind, um im Bild der Romantik zu bleiben, Realisten geworden". Die beiden Realisten scheuen sich aber nicht, die großen Fragen des Lebens zu stellen, Fragen von Männern in der Midlife Crisis: "Wie sieht es aus, wenn man in sich hineinblickt, als wäre man dreißig Jahre nicht bei sich selbst gewesen? Würde man die heruntergekommenen Viertel im Innern wiedererkennen? Und die vielleicht noch immer wunderschönen Ecken? Alte und neue Ruinen, aber auch durchaus erkennbaren Fortschritt?"

Eine Zeitreise in die achtziger Jahre

Christoph Schulte-Richtering gibt in seinem Roman den großen Fragen des Lebens eine wunderbare und auch humorvolle Leichtigkeit, die nichts vereinfacht oder beschönigt. Erwachsen- und Älterwerden, das sind harte Nüsse, die wir knacken müssen. Zugleich entführt er uns in die achtziger Jahre, in die Interrailzeit, in der es noch kein Internet und Smartphone gab. Welche Rolle dabei die Krone der heiligen Maria, Mutter Gottes spielt, und warum sie auf dem Kopf eines Toten als Memento Mori Motiv landet?, verraten wir jetzt nicht. Und? Was unterscheidet denn nun die älteren Männer von den romantischen Jungs? "Vielleicht geht es darum, Fehler zu vermeiden und einzusehen, dass bestimmte Dinge endlich sind", resümiert der Autor, "das hat nichts mit Resignation zu tun, sondern etwas mit dem Akzeptieren von bestimmten Dingen, und das macht einen vielleicht älter, weiser, weniger romantisch, weniger impulsiv aber doch auch abgeklärter, und das gehört ja auch zum Altern dazu".