Christian Liedtke über seinen "Heinrich Heine Katechismus"

"Poesie ist das ursprüngliche Wesen der Religion"

"Gäbe es Atheismus, so gehörte er nicht in die Philosophie, sondern in die Pathologie", hat Heinrich Heine geschrieben. Der Dichter war eher ein Glaubensskeptiker aber kein Atheist. Christian Liedtke vom Heinrich Heine Institut hat jetzt in einem "Heinrich Heine Katechismus" seine Texte über Kirche, Religion und Glauben gesammelt.

Christian Liedtke / © privat (Hoffmann und Campe)

"Es gibt kein anderes literarisches Werk, das Heinrich Heine so oft zitiert hat wie die Bibel", sagt Christian Liedtke im DOMRADIO.DE Interview. Heine hat sich in seinem Werk immer wieder mit Religion und Glaube beschäftigt. Provoziert hat er, auch gespottet über die katholische Amtskirche, auf deren Index er noch bis 1966 stand. Aber Atheist war er nie. "Das wäre ihm auch viel zu langweilig gewesen", sagt Christian Liedtke. "Es ist für Heine viel spannender, sich mit Gottesvorstellungen und Vorstellungen von Göttlichkeit auseinanderzusetzen, sich darüber zu streiten, als den Glauben rundweg zu verleugnen". Christian Liedtke hat für sein Buch mit den Schriften des Dichters über Kirche, Religion und Glauben den Titel "Heinrich Heine Katechismus" gewählt. Dem Dichter Heine, der nie belehren wollte, nun ausgerechnet einen Katechismus zu widmen, ist schon starker Tobak. "Ich glaube, dass er sich selbst wohl am meisten darüber gewundert hätte", gibt Liedtke zu, "denn eine Glaubenslehre hätte mit Heines Ideen wohl in einem Widerspruch gestanden. Andererseits kann man, auch wenn das kein Lehrbuch ist, aus seinen Schriften zum Thema Religion einiges lernen, weil das ein Thema ist, mit dem Heine sich auf vielfältige Weise beschäftigt hat".

Religion und Zweifel gehen nebeneinander

Heinrich Heine ist ein Kind jüdischer Eltern. Er war auf einer katholischen Jesuitenschule, hat sich protestantisch taufen lassen und katholisch geheiratet – allein das klingt aufregend. Aber alles von Anfang an. Heine ist in einem liberal jüdisch geprägten Elternhaus groß geworden. Diese Erfahrung, als Jude aufzuwachsen, sei eine Grunderfahrung, sagt Liedtke: "Mit all den jüdischen Glaubensinhalten, die er kennengelernt hat, aber eben auch mit den Diskriminierungserfahrungen, die damit automatisch verbunden waren und denen niemand in seiner Zeit entrinnen konnte." Mit einer Sondergenehmigung durfte der jüdische Heinrich Heine dann eine katholische Jesuitenschule in Düsseldorf besuchen. "Er schreibt, dass er dort schon in seiner Jugend erlebt hat, wie Religion und Zweifel ohne Heuchelei nebeneinander gehen können", sagt Christian Liedtke. Das sei eine Erfahrung, die sehr gut die Grundtendenz seines eigenen Werks beschreibe. "Dort gehen Religion und Zweifel auch immer nebeneinander", weiß Liedtke.

Poesie ist der göttliche Funken in den Religionen

Obwohl Heine immer wieder und auch sehr bissig die Vertreter der katholischen Amtskirche kritisierte, blieb er als Poet dem Katholizismus immer verbunden. In seinen Geständnissen schrieb er als betagter Mann, schwer erkrankt, zwei Jahre vor seinem Tod: "Von fanatischer Feindschaft gegen die römische Kirche kann bei mir nicht die Rede sein. Ich war immer ein Dichter, und deshalb musste sich mir die Poesie, welche in der Symbolik des katholischen Dogmas und Kultus blüht und lodert, viel tiefer als anderen Leuten offenbaren und nicht selten in meiner Jünglingszeit überwältigte auch mich die unendliche Süße, die geheimnisvolle Überschwänglichkeit und schauerliche Todeslust jener Poesie". Und doch blieb da immer eine ausgeprägte Ambivalenz den christlichen Kirchen gegenüber – allein schon weil er gezwungen worden war, sich evangelisch taufen zu lassen, denn sonst hätte der junge Jurastudent Heine seinen Beruf als Anwalt nicht ausüben können. Juden war das damals verboten. "Um die Früchte seiner juristischen Arbeit ernten zu können, stand er vor der Frage, wie verhalte ich mich jetzt, da Juden nicht mehr zum Anwaltsberuf zugelassen waren", erzählt Liedtke, "deswegen hat er sich zur Taufe entschlossen. Seine Äußerungen dazu sind auch in dem Buch gesammelt. Man kann dort nachlesen, dass er mit sich gerungen hat, dass das kein leichtfertiger Schritt war, den er da unternommen hat und dass er ihn auch bereut hat und als Demütigung empfunden hat." Heinrich Heine wußte hier aber zwischen Kirchenpolitik und Religion zu trennen. Das zeigt seine ernsthafte, offene und interessierte Beschäftigung mit allen großen Religionen in seinem Werk. Denn ´Poesie sei das ursprüngliche Wesen der Religion´, schrieb der Dichter. Er habe bei allen Religionen als Gemeinsamkeit Poesie gefunden, sagt Liedtke und weiter betont der Heine Experte: "Der göttliche Funken, den er in allen Religionen entdeckt, ist die Poesie. Bei aller Kritik an Priestern und der Amtskirche respektiert und beachtet er den poetischen Kern der Religionen."