Buchpreisgewinner Frank Witzel kommt zum Katholikentag nach Leipzig

Kindheit in der katholischen Diaspora

Prominente Autoren auf dem 100. Katholikentag in Leipzig. So trifft der aktuelle Buchpreisgewinner Frank Witzel den Bestsellerautor Ingo Schulze. Witzel ist im katholischen Westen aufgewachsen, Schulze im protestantischen Osten. Im domradio.de Interview erzählt Frank Witzel von seiner Sozialisation in der katholischen Diaspora.

Frank Witzel / © Gianni Plescia
Frank Witzel / © Gianni Plescia

Die katholische Kirche, die Frank Witzel in der Nähe von Wiesbaden als Kind und Jugendlicher erlebt hat, war eine Kirche, die vom evangelischen Umfeld geprägt war. Erst später erfuhr der Autor, dass es noch ganz andere Möglichkeiten gibt, katholisch zu sein. "Ich bin in einer viel stärker von Schuld betonten Form des Glaubens aufgewachsen“, erzählt er im domradio.de Interview, "auch war mir eher das Schmucklose der Religion präsent, wie es im Protestantismus üblich ist“. Ein Beispiel dafür: Bei einem Pfadfinderausflug nach Bayern besuchte Witzel als Jugendlicher eine Glockengießerei. Der Glockengießer erzählte, dass es sehr aufwändig und teuer sei, in jede Glocke einen Bibelvers einzugravieren. Da habe er sich gemeldet und gefragt, warum man das denn überhaupt mache, weil das im Glockenturm ohnehin kein Mensch sehe. Statt zu antworten habe ihn der Glockengießer nur angeschaut und gefragt, ob er evangelisch sei.

Literatur als Verheißung

In seinen Büchern klingt Witzels Kindheit und Jugend als „evangelischer Katholik“ immer wieder an. Er sei nun einmal katholisch, das könne man sich nicht aussuchen, sagt der Autor, das sei wie bei einer Krankheit: "Und ich setze mich damit so produktiv auseinander wie möglich“. Die Symptome seiner "katholischen Krankheit" seien oft unklar und vielfältig: "Sie gehen ins Mystische, in die Reflektion. Manchmal verschärfen sie sich zu einem Grübeln, zu einem endlosen Zweifeln. Aber es gibt auch Momente großer Verheißung“. Zu diesen Momenten gehören auch die Literaturerfahrungen, die Frank Witzel in seiner Jugend gemacht hat:"Verheißung bedeutet ein Spüren, dass da etwas ist. Es bedeutet eben kein Versprechen, das mir ein anderer Mensch gibt. Die Verheißung ist eher beim Mystiker angesiedelt, der in sich etwas spürt", sagt Witzel.

Faszination Bundesrepublik: "BRD NOIR"

Im domradio.de Interview spricht Witzel auch über sein neues Buch „BRD NOIR“, das ein ausführliches Gesprächsprotokoll mit dem Kulturwissenschaflter Philipp Felsch ist. Die These, die Witzel hier aufstellt: Die Geschichten der Mörder und Entführer der frühen BRD – zum Beispiel Jürgen Bartsch oder Fritz Honka – seien Geschichten von Wiedergängern der verdrängten Gewalt der SS- und Wehrmachtssoldaten.