Barbara Honigmann über die "Chronik meiner Straße“

Leben in multikultureller Nachbarschaft

In ihrer Straße trifft sich die ganze Welt. Dort wohnen Araber neben Juden und Franzosen, Kurden neben Türken und Asiaten. Barbara Honigmann wohnt seit über 30 Jahren in der eher tristen Rue Edel in Straßburg. In ihrem Buch "Chronik meiner Straße“ erzählt sie von den Menschen dort. "Wir leben nicht miteinander, sondern eher nebeneinander“, sagt die deutsch-jüdische Autorin gegenüber domradio.de: "Aber friedlich nebeneinander leben ist vielleicht gar nicht so schlecht“.

Barbara Honigmann / © Peter-Andreas Hassiepen
Barbara Honigmann / © Peter-Andreas Hassiepen

Es ist eine ganz gewöhnliche Straße, über die Barbara Honigmann schreibt, eine Straße, in die sie vor über 30 Jahren mit ihrer Familie eingezogen ist. Damals, 1984, verließen die Honigmanns Ost-Berlin, wo sie sich als jüdische Familie nicht mehr zuhause fühlten. "Als wir einzogen, am Anfang, vor langer Zeit, sagten wir ja auch, das Haus ist häßlich, die Straße triste, die Gegend öde, nahe dem öden Neubauviertel, wir ziehen jetzt nur schnell ein, damit wir erst einmal einen Platz für uns und die Kinder und unsere Kisten und Kartons haben.“ Aus dem Provisorium wurde dann ein Dauerzustand. "Wir sind einfach da geblieben“, sagt die Autorin. In ihrem Buch erzählt sie auch von der vergehenden Zeit, die sie von ihrem Sonnenplätzchen auf dem Balkon vorbeiziehen sieht.

"Chronik meiner Straße" - Die ganze Welt im Kleinen

"Jeder Mensch, wo immer er herkommt, hat eine interessante Lebensgeschichte“, sagt die Autorin, "und in der Straße höre ich so viele Lebensgeschichten.“ Aber, so schreibt sie auch, die vielen Völker, die sich hier niedergelassen haben, vermischen sich wenig. Unsere Vorstellungen von einer multikulturellen Vermischung, einem bunten Miteinander, sei vielleicht auch eine Phantasie, die sowieso schlecht aufgehe. Aber so eine friedliche Nachbarschaft sei doch schon viel, sagt die Autorin.

"Ich sitze noch immer an meinem Schreibtisch, der vor dem Fenster steht, und sehe auf die ´Straße des Anfangs in´ der viele Völker wohnen und das ´andere Frankreich´ und Hunde und Katzen und ein paar Verrückte, und in der kein Baum wächst und kein Strauch“, schreibt Barbara Honigmann. In ihrer Straße begegnet sie der ganzen Welt im Kleinen, erfährt von Tragödien, schließt Freundschaften, stellt sich den Enttäuschungen, aber auch Träumen ihrer Nachbarn. Ihre Geschichten strahlen eine ergreifende Ruhe aus, fast beiläufig erzählt sie uns die Geschichten der Menschen in ihrer Straße, in deren Schicksale sich auch die große Weltgeschichte spiegelt.

Barbara Honigmann hat ihr Buch vor den Attentaten der Islamisten in Paris beendet. Im domradio.de Interview erzählt sie, wie sich Frankreich seitdem verändert hat. „Die Stimmung ist sehr schlecht“, sagt sie, "sehr viele Juden gehen weg, besonders junge jüdische Familien ziehen nach Israel. Das höre ich immer wieder. Die Menschen wollen ihre Kinder nicht in dieser Situation aufwachsen lassen“.