Autor Michel Houellebecq lockt in Köln die Massen

Anschreiben gegen die Demokratiemüdigkeit

Der französische Schriftsteller Michel Houellebecq hat bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach den Terroranschlägen von Paris seinen Roman verteidigt. Das Buch sei nicht islamophob, sagte Houellebecq vor Hunderten Zuschauern in Köln.

Michel Houellebecq in Köln (dpa)
Michel Houellebecq in Köln / ( dpa )

Seit dem Erscheinen von "Unterwerfung" vor zwei Wochen und den Anschlägen auf die Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" müsse er zwei Dinge in einer Endlosschleife erklären, sagte Houellebecq: "Erstens, dass mein Buch kein islamophobes Buch ist, und zweitens, dass man das Recht dazu hat, ein solches Buch zu schreiben."

Sein Roman spielt im Jahr 2022 in Frankreich. Der Autor kritisiert darin sowohl die Demokratiemüdigkeit, den Egoismus und den Opportunismus des Establishments als auch die Islamisten, die in diese Lücke stoßen. Der Auftritt Houellebecqs in Köln war schon seit Dezember ausgebucht. Die Polizei hatte nach eigenen Angaben "angemessene Sicherheitsvorkehrungen" ergriffen, wollte aber keine Einzelheiten nennen. Vor dem Gelände waren nur einzelne Polizisten zu sehen.

Der Roman, dessen deutsche Übersetzung vor knapp einer Woche erschienen war, schildert, wie bei der französischen Präsidentschaftswahl 2022 Marine Le Pen, die Kandidatin der rechtsextremen Front National (FN), im ersten Durchgang gewinnt. Um ihren Sieg bei der Stichwahl zu verhindern, unterstützen Sozialisten und Konservative einen gemäßigten muslimischen Kandidaten, der dann auch tatsächlich an die Macht kommt.

Der Roman war am 7. Januar in Frankreich erschienen. Am selben Tag hatten zwei islamistische Attentäter in der Redaktion von "Charlie Hebdo" in Paris zwölf Menschen ermordet. Das Satireblatt hatte eine Karikatur über den Autor auf der Titelseite.

Nach den Terroranschlägen hätten ihm die Demonstrationen eines klar gezeigt, sagte Houellebecq in Köln: "Dass die Franzosen sich etwas ganz Einfaches wünschen - und zwar Meinungsfreiheit." Auf die Frage, ob er mit seinem Buch der rechtsextremen FN nütze, sagte er: "Erst einmal ist mir das egal. Und es hat noch nie jemand seine politische Meinung geändert, weil er ein Buch gelesen hat."

Kein platter Religionskritiker

"Houellebecq verdammt Religionen nicht in Bausch und Bogen. Das ist kein platter Religionskritiker. Der Autor führt uns in seinem Roman in sehr intelligenter Weise die gegenwärtige Situation der Religion in Europa vor Augen", sagt Werner Höbsch. Im Erzbistum Köln ist er zuständig für den interreligiösen Dialog.  "Das Christentum zerbricht nicht, weil der Islam mit Gewalt und aller Macht die Herrschaft übernimmt, es zerbricht an der eigenen Schwäche, von innen", sagt Höbsch.

Für das müde, alte Europa stehe der Romanheld Francoise, ein Akademiker, der nicht mehr weiß, wofür es sich zu leben lohnt. Bindungsunfähig und mit einer unerfüllbaren Sehnsucht nach einem Sinn taumelt er durchs Leben. Er besucht einen Marienwallfahrtsort und ein Kloster, doch auch hier findet er keine Erfüllung. "In der Auseinandersetzung mit der geistigen Situation unserer Zeit und auch mit der Bedeutung, die der Islam hier haben kann, ist dieser politisch-religiöse Roman nützlich", sagt Höbsch. Er ist gespannt, wie nun die muslimische Seite den Roman beurteilt.

Für eindimensional hält der Theologe Höbsch die mögliche Instrumentalisierung des Romans durch die Pegida-Bewegung, die vor einer vermeintlichen Islamisierung des Abendlandes warnt. "Im Gegenteil", sagt Höbsch: "Dieser Roman zeigt die Schwächen des Westens auf, der in einem übertriebenen Individualismus sein Heil sucht."