Annegret Held über ihr Buch ‘Eine Räuberballade’

Stoßgebete und Räuberbanden

Im Westerwald gab es viele Räuberbanden - im späten 18. Jahrhundert. Annegret Held kommt aus dem Westerwald. Ihre Bücher erzählen die Geschichten der Westerwälder. Im Roman ‘Eine Räuberballade’ erzählt sie vom wilden Leben der Räuber.

Annegret Held / © Elisa Held (eichborn Verlag)

“Wüst und wild ging es nicht nur damals im Westerwald zu. Mein Dorf ist immer noch saftig, und wir sind immer noch sehr lebenslustig”, erzählt Annegret Held im DOMRADIO.DE Interview. “Das hat man uns in die Wiege gelegt. Die Kirmeskloppereien haben zwar abgenommen. Aber als ich klein war, da wurde noch viel gerauft und geflucht. Da wurde man morgens mit lauten Sprüchen geweckt wie: Ich haue dir den Hammer auf den Kopf.” Das Leben im Westerwald ist nichts für zarte Gemüter. Hier geht es prall zu. Hier wird geflucht und gesoffen. Das war früher, im späten 18. Jahrhundert, zur Zeit, in der der Roman von Annegret Held spielt, auch schon so. “Ich weiß jetzt, dass es noch etwas grober war, dass man dann aber auch wieder viel gebüßt und gebeichtet hat”, sagt die Autorin üner ihre Heimat. “Was mir da am besten gefallen hat, das habe ich in meinen Romanen aufgeschrieben”.

Das waren die Räuber

In ‘Eine Räuberballade’ geht es um das Dorf Schorrenberg, ein Müllersdorf, im Westerwald. Dieses Dorf hat es tatsächlich einmal gegeben, ist aber dann spurlos von der Landkarte verschwunden. “Als wir klein waren, sagte der Onkel Theo bei einem Spaziergang einmal zu uns. ‘Hier, wo diese Steine liegen, da war früher ein Dorf’. Und das hat mich ewig beschäftigt als Kind”, erzählt Annegret Held. “Ich habe gedacht, was war denn da? Das waren lauter Müller, hieß es. Jetzt sind die weg, und dann wurde immer spekuliert. Die einen sagten: 'Ja, das war der Dreißigjährige Krieg'. Die anderen sagten: 'In der Pestzeit sind sie alle gestorben'. Und dann hieß es: 'Es waren die Räuber'”.

Der Räuberkongress im Westerwald

Annegret Held begann zu recherchieren und stieß auf Geschichten, die unglaublich spannend sind. “Dann gab es die Geschichte von dem Räuberkongress, wo sich damals 40 Räuber aus dem Hunsrück, aus dem Odenwald, der Eifel und der Wetterau getroffen haben. Das ist doch spannend”, schwärmt die Autorin. Und so stieg Annegret Held tief in das Räuberwesen des 18. Jahrhunderts ein und studierte alles, was sie über Räuber finden konnte. “Ich bin ja eine gelernte Polizeibeamtin. Das hat mir geholfen bei diesem Buch, weil ich studiert habe, wie Verbrechen so ablaufen und wie unelegant das in der Praxis ist und wie holprig”, sagt die Autorn. “Also musste mein Räuber unbedingt auch unelegant sein und ein Westerwälder, kernig und mutig, aber auch ein bisschen tollpatschig”.

Die frechen Westerwälder Mädchen

Annegret Held erzählt in ihrer Räuberballade die Geschichte von Wilhelm und Hannes, von Vater und Sohn. Der Sohn haut von zu Hause ab und wird ein Räuber. Und er trifft auf eine Frau - die selbstbewusste Gertraud. “In alten Chroniken aus meiner Heimat beschweren sich Lehrer häufig, dass die Westerwälder Mädchen so laut und frech seien. Da musste ich auch über eine Romanheldin schreiben, die laut und frech ist. Da gab es ein Vorbild von einer, die damals mit dem Karussellbremser durchgebrannt ist, und die hatte ich vor Augen”, sagt die Autorin. Gertraud, die Romanfigur, ist lebensfroh, wird aber immer wieder davongejagt, weil sie zu frivol mit Männern anbandelt. Und dann gerät auch sie unter die Räuber. “Sie kommt mit dem übelsten Gesocks aus. Sie weist sie alle in die Schranken. Alle fürchten sich vor ihr. Das ist schön zu erzählen, das hat mir Spaß gemacht”, sagt Annegret Held.

Die Menschen waren betend unterwegs

Viel Spaß hat man auch beim Lesen dieser spannenden, prallen Geschichten der Westerwälder aus dem 18. Jahrhundert. Was dabei besonders auffällt, ist die besondere Frömmigkeit der Menschen damals, die sehr gläubig waren und immer ein Stoßgebet auf den Lippen hatten. “Ich kenne das einfach auch noch aus meiner Kindheit”, erzählt die Autorin, “dass die Leute unentwegt 'Mein Herr und mein Alles' vor sich hingesprochen haben oder 'Herr sei bei mir' oder 'Jesus, Maria und Josef'. In jedem Satz kam so etwas davor. Die Menschen waren einfach betend unterwegs. 'Heiliger Bartholomäus'. Die Stoßgebete finde ich kraftvoll und auch schön, und die waren wirklich im Denken immer präsent”.


Quelle:
DR