Alexander Kissler über die Selbstaufgabe der westlichen Werte

"Keine Toleranz den Intoleranten"

"Der Westen muss sich wieder stärker seiner Prinzipien bewusst werden“, sagt Alexander Kissler im domradio.de Interview: "Der Westen muss bereit sein, seine Werte zu verteidigen, indem er auskunftsfähiger wird“. In seinem Buch "Keine Toleranz den Intoleranten“ fordert der Publizist eine Rückbesinnung auf westliche Tugenden und Werte.

Alexander Kissler / © Andrej Dallmann
Alexander Kissler / © Andrej Dallmann

Kissler beklagt eine Identitätskrise des Westens. "Kaum einer weiß noch, wofür der Westen steht und was Werte wie zum Beispiel Toleranz bedeuten“, sagt Kissler: "Man will sein Leben genießen, und solange keiner einen beim Genuss des Lebens und der Verdauung stört, lässt man sich´s gut gehen“. Diese Trägheit werde aber gefährlich, wenn man auf ein anderes Diskursgefüge treffe, namentlich einen sehr von sich überzeugten Islam, der den Westen heraus fordere, der eine Antwort verlange und dem diese Antwort nicht gegeben werde.

"Toleranz ist auch jetzt gefragt“, sagt Kissler: "wenn zum Beispiel im Namen eines Religionsverständnisses Frauen herabgewürdigt werden. Das nehmen wir zu leicht als fremdländische Folklore wahr, und das ist falsch“. Schweinefleisch verschwinde aus Schulbüchern, die Moschee von der Seifenpackung - die Selbstzensur des Westens treibe absurde Blüten, beklagt Kissler: "Zwar werden Presse- und Meinungsfreiheit beschworen, aber Terror wirkt: Nach den Pariser Anschlägen wird hier und da gefordert, man müsse Blasphemie stärker unter Strafe stellen, aber muss man wirklich Verständnis dafür haben, dass besonders Fromme besonders reizbar sind?" Wollen wir die Freiheit opfern für die Illusion, dadurch die Freiheitsfeinde zu besänftigen, fragt der Publizist. Alexander Kisslers neues Buch ist ein entschiedener Aufruf, die Meinungs- und Religionsfreiheit selbstbewusst zu stärken.

Den Vorschlag von Bundeskanzlerin Angela Merkel, auch einmal wieder einen christlichen Gottesdienst zu besuchen, um zu erfahren, wofür wir eigentlich im Westen stehen, begrüßt Kissler durchaus: "Weil das Christentum, neben dem Judentum, der griechischen Philosophie und dem römische Recht eines der Pfeiler des westliche Prinzips ist, und um auskunftsfähig zu werden, kann es hilfreich sein, wieder einen christlichen Gottesdienst zu besuchen. Andererseits kann das nicht die globale Antwort sein. Wir können den an uns herangetragenen Ansprüchen, unsere Freiheit einzuschränken, nicht begegnen, indem wir frömmer werden, da muss die Politik schon Grenzen setzen“, ist Kissler überzeugt.