Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone wird 75 Jahre alt

Der Durchstarter im Vatikan

Konservativ, jovial und machtbewusst - so wird der zweite Mann im Vatikan gerne beschrieben: Tarcisio Bertone wird heute 75 Jahre alt. Papst Benedikt XVI. hatte den damaligen Erzbischof 2006 zum Kardinalstaatssekretär ernannt. Innerhalb der römischen Kurie übt er nicht nur im Bereich der Vatikanmedien verstärkt Einfluss aus. Ein Portrait.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Im Empfangsraum des zweitmächtigsten Mannes der katholischen Kirche steht ein Ferrari. Ein exklusives, handgefertigtes Modell eines der legendären Boliden in Kardinalsrot, geschenkt von Luca Cordero di Montezemolo. Das Stück, gehütet wie ein Schatz, spricht von Sportsgeist und Nationalstolz, von Verbindungen zu Italiens Gesellschaft und einem unbefangenen Nebeneinander von Heiligem und Profanem. Es sagt auch etwas über den noch immer jungenhaften Zug in Tarcisio Bertone.

Nicht zufällig gehört Bertone dem Salesianerorden an, der sich der Jugendarbeit verschrieben hat und in dem Fußballspielen und Messefeiern praktisch untrennbar zusammengehören. Am 2. Dezember 1934 in Romano Canavese als fünftes von acht Kindern geboren, trat er direkt nach der Schule bei den Salesianern ein. Sein Studium mit Schwerpunkt Kirchenrecht absolvierte er in der Ordenshochschule in Turin. 1989 wurde er deren Rektor. Zwei Jahre später berief Johannes Paul II. ihn zum Erzbischof von Vercelli.

Mitarbeiter schildern Bertone als umgänglich und zugleich schnörkellos im Urteil. Mit diesen Qualitäten verschaffte er sich noch als Kardinal - seit 2003 - mit seinen Fußballkommentaren im Fernsehen Respekt, ebenso wie er innerhalb der Kirchenhierarchie Aufmerksamkeit fand. Von 1995 bis 2002 arbeitete der hochgewachsene Norditaliener, der unter anderem an der Revision des Kirchenrechts beteiligt war, auf dem zweitwichtigsten Posten der Glaubenskongregation neben Kardinal Joseph Ratzinger. Seine anschließende Berufung zum Erzbischof von Genua sollte sich als Intermezzo erweisen. Denn am 15. September 2006 holte ihn Benedikt XVI. als Nachfolger von Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano an die Kurie zurück. Der Papst wollte mit ihm die eingespielte Teamarbeit aus der Glaubenskongregation fortsetzen.

Allerdings klappte der Übergang nicht ganz reibungslos. Alte Seilschaften im Staatssekretariat machten Bertone den Einstieg nicht gerade leicht. Manche angeblichen oder echten Pannen wurden dem neuen Mann an der Spitze angelastet. Zudem war Bertone häufig unterwegs. In Vertretung des Papstes übernahm er Auslandsmissionen nach Kuba, nach Weißrussland, nach Kroatien. Währenddessen fehlte im Vatikan die regierende Hand. So hielt er sich ausgerechnet dann in Spanien auf, als in Rom der Eklat um den Traditionalisten und Holocaustleugner Richard Williamson seinen Höhepunkt erreichte.

Inzwischen hat das Team Bertone jedoch Tritt gefasst. Alle Leitungspositionen im Staatssekretariat und viele Schlüsselstellungen im Vatikan sind neu besetzt. Immer wieder kamen dabei Norditaliener zum Zuge, mitunter Vertrauensleute des Kardinals. Sein Nachfolger in Genua, Kardinal Angelo Bagnasco, übernahm die Leitung der Italienischen Bischofskonferenz. Anders als in der Ära des Vorsitzenden Kardinal Camillo Ruini bestimmt den Kurs gegenüber der italienischen Regierung jetzt wieder mehr der Vatikan
- und damit Bertone.

Mitgetragen wird diese neue Linie vom generalüberholten «Osservatore Romano»; die Ernennung des Chefredakteurs Giovanni Maria Vian geht ebenso auf Bertone zurück wie die Berufung des aktuellen päpstlichen Zeremonienmeisters Guido Marini - dieser wirkte bereits in Genua als Zeremoniar und Privatsekretär Bertones. Im Februar 2008 übernahm Bertone die Leitung der Kardinalskommission für die Vatikanbank IOR; das war der letzte einflussreiche Kurienposten, den sein Vorgänger Angelo Sodano noch innehatte. Inzwischen ist der Aufsichtsrat des Instituts ausgewechselt.

Bei alledem hat der Kardinalstaatssekretär auch einen leutseligen Zug. Während des jüngsten Bergurlaubs des Papstes lud er Bendikt XVI. in sein Heimatdorf Romano Canavese ein, arrangierte ein gemeinsames Mittagessen im Haus seines Bruders Valeriano - zusammen mit Neffen, Nichten, Enkelkindern 40 an der Zahl. Bertone liebt und pflegt solche persönlichen Verbindungen; hingegen fehlt ihm der intellektuelle Glanz eines Benedikt XVI. Aber allein das sagt nichts darüber, ob der Mann mit dem Ferrari bei einer künftigen Papstwahl nicht in der Pole Position steht.