Jesuit sieht rechte Tendenz schwedischer Katholiken

"Viele haben die Nase voll"

Schweden hat gewählt. Die rechtspopulistischen "Schwedendemokraten" finden sich auf dem zweiten Platz. Für den deutschen Jesuiten Philip Geister ein Zeichen für tiefsitzende Probleme im Land, auch bei den Katholiken.

Anhänger der Schwedendemokraten feiern bei der Wahlbeobachtung der Partei  / © Stefan Jerrevång (dpa)
Anhänger der Schwedendemokraten feiern bei der Wahlbeobachtung der Partei / © Stefan Jerrevång ( dpa )

DOMRADIO.DE: Erst gab es am Wahlabend großen Jubel bei den Parteien des Linksbündnisses, dann ein paar Stunden später plötzlich Jubel vom anderen Lager, bei den bürgerlichen Parteien. Wie haben Sie diesen Wahlabend am Sonntag erlebt?

Jesuitenpater Philip Geister (privat)
Jesuitenpater Philip Geister / ( privat )

Dr. Philip Geister SJ (Jesuitenpater in Uppsala und Rektor des Newman-Instituts): Es war natürlich unglaublich spannend. Auf der anderen Seite wusste man vorher durch die Meinungsumfragen, dass es unglaublich knapp werden würde und dass vermutlich nur einige Tausend oder Zehntausend Stimmen die beiden Lager voneinander scheiden würden.

DOMRADIO.DE: Die rechtspopulistischen "Schwedendemokraten" sind jetzt die zweitstärkste Partei im Parlament. Wie sehen denn die Schweden diese Partei?

Geister: Das ist eine gute Frage. 20,6 Prozent der wahlberechtigten Schweden haben diese Partei gewählt. Das ist eine wirklich problematische Partei, ausländerfeindlich, im Grunde auch demokratiefeindlich. Aber es sind eben 20,6 Prozent der Bevölkerung, die dieses Wahlprogramm und auch diesen Stil irgendwie bejahen. Man kann nicht ganz daran vorbei gehen, aber man versucht es eben. Und auch die Mitte-Rechts Parteien haben versucht, ihren eigenen Stil zu finden, haben sich aber eben auch von diesen Schwedendemokraten vor sich hertreiben lassen. Die Schwedendemokraten werden de facto einen großen Einfluss auf die zukünftige Politik haben, auch wenn sie am Ende vielleicht nicht direkt in der Regierung sitzen.

Geister: Kriminelle Banden werden als großes Problem wahrgenommen im Land. Dieses Jahr wird wohl das Jahr mit den meisten Todesopfern durch Schusswaffen in Schweden. Woran liegt denn dieses Problem?

Philip Geister SJ

"(Von einer) Bullerbü-Idylle verwandelt (sich Schweden) zu einer Art Chicago in den Zwanzigern."

Geister: Wenn man das über die Jahre verfolgt, ist das wirklich unbegreiflich, wie sich Schweden von dieser Bullerbü-Idylle verwandelt hat zu einer Art Chicago in den Zwanzigern. Es wird ständig geschossen, ständig sind Explosionen und es gibt offene Straßengewalt in einigen Städten.

Die Rechtsparteien wollen natürlich, dass man glaubt, dass es eigentlich an der Zuwanderung liegt. Vermutlich ist es wesentlich komplexer, weil auch das uneingeschränkte Agieren von kriminellen Gangs nicht gestoppt werden kann. Und woran das noch mal liegt, ist auch schwierig zu sehen. Aber auf jeden Fall sind vor allem die Mitte-Rechts Parteien sich einig, dass das ein Hauptthema ist, das man jetzt auch nach der Wahl angehen will, und zwar mit einer entsprechenden Härte und Brutalität. Und da haben natürlich auch dann die Schwedendemokraten ihre Stimmen her bezogen.

DOMRADIO.DE: Also wählen viele Schweden rechtspopulistische Parteien wegen dieser kriminellen Banden, oder wie wird das analysiert?

Geister: Das glaube ich sicher. Viele haben die Nase voll von dieser offenen Gewalt und das Gefühl, dass diese Parteien durchgreifen. Vor allem die Schwedendemokraten würden natürlich durchgreifen. Nur die würden das in einer Art machen, die zutiefst undemokratisch ist und auch zutiefst ausländerfeindlich. Und darin liegt eigentlich das Problem der Popularität dieser Partei.

DOMRADIO.DE: Die Katholiken in Schweden sind meist auch als Ausländer ins Land gekommen. Die dürften diese Partei eigentlich nicht wählen, oder?

Geister: Ja, man sollte meinen, dass die alle dagegen seien. Aber viele sind tatsächlich auch Sympathisanten und Wähler von dieser Partei. So ein bisschen nach dem Motto: Wir sind Rennen, jetzt lasst uns die Zugbrücke hochziehen, damit nicht noch mehr Einwanderer hereinkommen. Und viele Katholiken fühlen sich auch von dieser etwas demokratiekritischen Attitüde der Partei tatsächlich angezogen.

DOMRADIO.DE: Magdalena Andersson von den Sozialdemokraten war die bisherige Ministerpräsidentin in Schweden. Wie hat sie sich so weit geschlagen bei dieser Wahl und auch seit der Wahl?

Geister: Sie ist unglaublich beliebt in Schweden. Viele Leute wählen einfach die Sozialdemokraten, weil sie Magdalena Andersson als Staatsministerin haben wollen. Man hat so ein bisschen gewitzelt: Im Grunde hat sie die Wahl zu einer Personenwahl über ihre eigene Person gemacht, weil sie sehr beliebt ist. Und das hat sie auch gezeigt, die haben auch dazugewonnen, nicht so viel wie die Schwedendemokraten, aber doch so zwei Prozent. Das hat aber nicht gereicht, um eben den Pegel umschlagen zu lassen.

Heute Abend wird nicht klar sein, wer der neue Staatsminister ist. Es reicht, wenn ein einziger Abgeordneter oder ein einzige Abgeordnete zum Beispiel der liberalen Partei abspringt und sich dann auf die Seite des Linksbündnisses schlägt. Ich persönlich glaube, vor Weihnachten wird nicht viel passieren. Morgen werden wir sicherlich keinen neuen Staatsminister in Schweden haben. Magdalena wird erst mal weitermachen bis Ende des Monats. Und ob dann ein anderer kommt, das ist meiner Meinung nach noch sehr offen, auch wenn wir heute Abend wissen sollten, wer mehr Stimmen bekommen hat.

Das Interview führte Florian Helbig.

Schweden könnte Ergebnis von umkämpfter Parlamentswahl erfahren

Drei Tage nach der dramatischen Parlamentswahl in Schweden könnte in dem skandinavischen Land am Mittwoch ein vorläufiges Endergebnis feststehen. Angesichts eines überaus engen Kopf-an-Kopf-Rennens zwischen dem linksgerichteten Lager und einem konservativ-rechten Block hatte die schwedische Wahlbehörde angekündigt, dass es ein vorläufiges Resultat frühestens am Mittwoch geben werde. Auf dpa-Anfrage teilte die Behörde am Dienstag mit, es sei sehr schwer zu sagen, wann genau das vorläufige Ergebnis feststehe - voraussichtlich aber am Mittwoch oder Donnerstag.

Schwedens Flagge / © akedesign (shutterstock)
Quelle:
DR