Wort des Bischofs

Sollen wir nicht einfach wieder eine Mauer bauen?

Das Schicksal der Flüchtlinge wird uns noch lange beschäftigen. Kardinal Woelki ermutigt die Deutschen in seinem Bischofswort, in ihrer großen Hilfsbereitschaft nicht nachzulassen.

 (DR)

Die Stimmung kippt, höre ich überall. Die Bundeskanzlerin habe zu viel versprochen. Es seien einfach zu viele Flüchtlinge, die da über die Grenzen in unser Land hineinströmen. Selbst bei uns Christen gibt es leider immer mehr Ängste. Angst um den ohnehin knappen Wohnraum, Angst vor einem überlasteten Schul- und Bildungssystem, Angst vor einem Zusammenbrechen unserer Sozialsysteme. Wollen wir also nicht einfach wieder eine Mauer aufbauen? Unsere Grenzen, wenn es sein muss, notfalls wieder mit Schießbefehl dicht machen? Die Flüchtlinge mit unseren Bulldozern einfach wieder ins Mittelmeer zurückschieben?

Mal ehrlich: Wollen wir wirklich so mit denjenigen umgehen, die gerade erst ausgebombt, vor Not und Terror geflohen sind? Ganz ohne Frage, wir stehen vor riesengroßen Herausforderungen. Auch ich nehme diese Ängste sehr ernst. Aber manchmal hilft schon ein Blick auf die Fakten: Nehmen wir z.B. die Angst vor einer drohenden Überfremdung. Die vielen muslimischen Flüchtlinge würden die christlich-abendländische Identität Deutschlands gefährden, so sagt man mir immer wieder. Aber: In Deutschland leben derzeit ca. 81 Millionen Einwohner – selbst wenn wir in diesem Jahr auf Grund der aktuellen Notlage über 800.000 Flüchtlinge aufnehmen – so ist das gerade mal ein Prozent. Angst ist hier also völlig unnötig und hilft uns überhaupt nicht weiter.

Das Gegenteil ist richtig: Wir dürfen in unseren Bemühungen bei der Integration gerade jetzt und in Zukunft nicht nachlassen. In den nächsten Jahren kommen gewaltige Aufgaben auf uns alle zu, aber wenn da draußen vor unseren Grenzen unsere eigenen Kinder, Eltern oder Großeltern stehen würden, wer von uns würde nicht alles unternehmen, um ihnen, so schnell es geht, eine neue Heimat zu geben? Vor unserer europäischen Haustür stehen aber immer unsere notleidenden Schwestern und Brüder! Als Christ kann man das gar nicht anders sehen. Was immer wir aber dem geringsten unser Brüder und Schwestern Gutes tun werden, werden wir für Gott selber tun. Gott ist also bei uns - habt keine Angst!

Ihr
Rainer Woelki
Erzbischof von Köln