Pfingstsonntag

BWV 172, „Erschallet, ihr Lieder“

Bach hat die Kantate für den heutigen Pfingstsonntag in Weimar zum 20. Mai 1714 komponiert. Anfang März des Jahres 1714 wurde er ja zum Konzermeister ernannt, sozusagen befördert, um ihn in Weimar zu halten und seit dieser Zeit war er verpflichtet, monatlich Werke für den Gottesdienst zu komponieren und aufzuführen. Wie gesagt: monatlich. Erst in Leipzig musste er dann wöchentlich eine eigene neue Kantate schreiben.

 (DR)

Der Text der Kantate „Erschallet ihr Lieder“, die Bach für den 1. Pfingsttag komponiert hat, stammt von Salomon Franck. Inhaltlich steht der Text pietistischen Gedankengängen nahe. Dies äußert sich in einem gewissen Gefühlsüberschwang, aber auch in der mystischen Haltung, die zum Beispiel im fünften Satz zum Ausdruck kommt.

Doch: Beginnen wir mit dem Eingangschor, der besonders festlich gestaltet ist. Im wahrsten Sinne des Wortes mit Pauken und Trompeten. Das folgende Rezitativ wiederholt inhaltlich einen Teil der Evangelienlesung. Da heißt es bei Johannes, im 14.  Kapitel: Wenn jemand mich liebt, wird er an meinen Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen.“ Am Ende bekommt das Rezitativ eine ariose Form, wodurch die Schlusstakte besonders hervorgehoben werden. 

Für die folgende Arie „Heiligste Dreifaltigkeit“ wählt Bach die seltene Besetzung von Trompetenchor und Solobass im Wechsel. Eine Instrumentation, die zur damaligen Zeit ein besonderes Gewicht dadurch erhält, dass die Trompete als spezifisch „höfisches“ Instrument gilt und hier deswegen eingesetzt wird, um die Königsherrschaft Gottes zu symbolisieren.

Die folgende zweite Arie steht zur Prachtentfaltung des Eingangssatzes und der eben gehörten Arie im Kontrast. Der Text spricht vom Wehen des Geistes Gottes und dieses Wehen wird durch die fließenden Bewegungen der Violinen zum Ausdruck gebracht. Aber auch der gewählte Dreiertakt erweckt den Eindruck des Gelöstseins:

Höchst kunstvoll ist der 5. Satz gestaltet. Hier hat Bach die 3strophige Dichtung, die dem Duett zugrunde liegt, mit dem Choral „Komm, Heiliger Geist, Herre Gott“, kombiniert. Allerdings wird dieser Choral durch die Oboe so sehr verziert, dass er kaum noch erkennbar ist.

Im Schlusschoral tritt, wie oft in Bachs frühen Kantaten, zum schlicht-vierstimmigen Chorsatz mit Instrumenten noch eine selbständige, fünfte Stimme der 1. Violine.

Der Choral selbst ist die 4. Strophe des Liedes „Wie schon leuchtet der Morgenstern“ von Philipp Nicolai.

Das Werk ist überaus festlich. Und: Es hat einen auffallend weltlichen Zug. Möglicherweise war die Kantate ursprünglich mal eine Glückwunschkantate und wurde für Bach dann nur etwas verändert und mit neuem Text versehen. Dies aber bleibt reine Spekulation. Auf jeden Fall hat Bach die Kantate in Leipzig mehrfach wiederaufgeführt, was nur bedeuten kann, dass Bach selbst seine Freude an diesem Werk hatte.