Jeanne Golla

Jeanne Golla / © Angela Krumpen (ak)

Es sieht aus wie ein alternatives Café: Holzstühle, jeder sieht anders aus. Eine alte Wage auf einem weißlackierten altem Apothekerschrank. An der Wand ein leuchtend bunter Paradiesvogel. „Ich liebe meine Vinzenzpforte sehr" sagt, Jeanne Golla: „der Raum sollte bunt und schön und lebendig sein, so dass man hier rein kommt und sich wohl fühlt, dass es Freude macht, hier zu sein."Das Cafédesign ist gewollt, die Vinzenzpforte ist "für Menschen gedacht, die sich ein Café nicht leisten können, Menschen, die einfach einen warmen Ort brauchen.

Die Zeit bei JEV war großartig

Die Arbeit als Krankenschwester machte Jeanne Golla nur ein bisschen glücklich. Ihr fehlte Zeit für Nähe zu den Menschen. Deswegen ging sie auf die Suche und mit den Jesuit European Volonteers nach Graz. Und auf der Stelle verlor sie dort ihr Herz an die Sozialarbeit. Ausgerechnet in einer Notschlafstelle für alleinstehende Männer: "Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartet." Jeanne Golla ist eine junge, strahlende Frau. Hatte sie keine Angst, will ich wissen? „Am Anfang habe ich mich immer gefürchtet. Aber dort lebten zwei Drittel Flüchtlinge. Die Flüchtlinge und ich waren gleich alt. Wir hörten die gleiche Musik, hatten einen ähnlichen Humor und sahen gleiche Filme im Kino. “ Jeanne Golla hatte gefunden, wonach ihr Herz gesucht hatte: sie konnte den Menschen nah sein und hatte Zeit zum zuhören.

Sie studierte Sozialarbeit in Hildesheim. Und jobbte. Unter anderem als Pfarrhaushälterin: "Mein tollster Studienjob überhaupt. Das war ein Traum. Weil es so war, wie ich mir Pfarrhaus und Kirche vorstelle. Ein großer Tisch, an dem jeder teilnehmen kann. Dass man teilt, flexibel  und nicht starr ist, dass man rein und rausgehen kann, wie man möchte"

Das schönste Charisma der Welt!

Während des Studiums fiel sie den Vinzentinerinnen in Hildesheim auf. Und Jeanne Golla fielen die Schwestern auf, die in ihren Augen  "das schönste Charisma der Welt" leben. Die Vinzentinerinnen leben Barmherzigkeit wie sie der Heilige Vinzenz verstanden hat, der sagt: „Der Arme, dem du das Brot reichst, wird es Dir nur durch deine Liebe verzeihen.“ So wollte Jeanne Golla leben, legte ihr Piercing ab, ließ die roten Haare raus wachsen, trat ins Kloster ein. Im Kloster fand sie Heimat, Ruhe - und ein Jahr Abenteuer am anderen Ende der Welt.

"Das war unglaublich. Überall wo ich hinkomme, hatte ich gleich ein Zuhause. Es waren junge Schwestern, wir sind Motorrad gefahren, haben sonntagnachmittags Volleyball gespielt." Ob in der Stadt oder im Urwald "Die Schwestern nahmen mich einfach überall hin mit, zu ihrer Arbeit und ihren Familien. Es war toll. Zwischendurch auch erschreckend, die große Armut zu sehen."

Ich bin für was anderes geschaffen

Jeanne Golla liebt den Orden. Sie wollte ganz dazugehören und bat um die ewige Profess. Auch in der Hoffnung, dass der Zwiespalt, der immer auch da war, ob das Ordensleben wirklich das Richtige sei, weg ginge. Aber der Zwiespalt ging nicht nur nicht weg, sondern wurde zum Riesenproblem. Jeanne Golla konnte nicht mehr schlafen, wurde ganz und gar unruhig. Aber: "An sich wenn man eine Entscheidung trifft, mit Gott trifft, dann kommt Ruhe." Aber so war es nicht und so wusste Jeanne Golla:

"Ich kann so nicht weiter gehen, ich muss gehen." Alle waren traurig. Die Schwestern und Jeanne Golla: "Ich liebe den Orden, die Schwestern, das Charisma. Eigentlich war alles gut. Und doch war gar nichts gut. Ich musste verstehen, ich bin für was anderes geschaffen."

Als Abschiedsgeschenk die Traumstelle

Traurig aber konsequent trat Jeanne Golla aus und suchte sich eine Wohnung. Zwei Jahre ist das jetzt her.  Das Verhältnis ist heute sehr gut: "Ich bin in gutem Kontakt geblieben. "Und Jeanne Golla arbeitet ja sogar für die Schwestern: "Ich sollte die Vinzenzpforte als Schwester übernehmen. Und dann kam die verrückte Idee, dass dann als Sozialarbeiterin zu tun."

Ein Glücksfall. Für alle: für die Schwestern, die die neu eröffnete Vinzenzpforte an eine junge Frau, die für das Charisma des Ordens lebt, übergeben können, für die Besucher, die eine leidenschaftliche Sozialarbeiterin bekommen haben und für Jeanne Golla, die ihre Traumstelle bekommen hat. Hier kann sie das tun, wonach sie sich immer gesehnt hat: mit ganzem Herzen für Menschen in Not sein.

Jeanne bleibt Jeanne

Auch wenn Jeanne Golla den Orden verlassen hat, ihren Ordensnamen Jeanne nimmt sie mit, weil "Jeanne d‘Arc so eine tolle, verrückte, extrem mutige junge Frau war. Sie hat ganz im Vertrauen auf Gott gelebt und sogar ihr Leben riskiert. Sie ist und bleibt mein Vorbild."

Außer ihren eigenen Weg mutig und gerade zu gehen, ihre Arbeit in der Vinzenzpforte gut weiter zu machen, so dass der Ort wachsen und gedeihen kann, wünscht Jeanne Golla sich noch. "es wäre schon toll, wenn das passiert, warum ich aus dem Kloster weggegangen bin, es wäre toll, eine Familie zu gründen."

(Eine Widerholung vom 18.02.2018)