Corona erzwingt Stillstand bei Umzügen und blutigen Traditionen

Heiligenfeste in Spanien fallen aus - und auch die Stierkämpfe

Für Spanier sind Heiligenfeste unumstößliche Größen im Terminkalender. Nun fällt eine Feier nach der anderen wegen der Corona-Pandemie aus. Und auch für Stierkämpfe ist vorerst Schluss.

Autor/in:
​Andreas Drouve
Fiesta in Valencia / © Helena G.H (shutterstock)

Kleine Attraktion in der Altstadt von Pamplona ist eine große Digitaluhr. Sie läuft rückwärts und zeigt auf die Sekunde genau die verbleibende Zeit bis zum Beginn der "Fiesta de San Fermin" am 6. Juli. Einem der ausschweifendsten Volksfeste Spaniens setzte US-Schriftsteller Ernest Hemingway einst mit seinem Roman "Fiesta" ein literarisches Denkmal. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, doch alles deutet in diesem Jahr wegen Corona auf die Absage hin.

Der mehrtägige Festrausch ist dem städtischen Schutzheiligen Fermin gewidmet, einem Glaubensboten und Märtyrer aus römischen Zeiten. An seinem eigentlichen Gedenktag, dem 7. Juli, setzt sich eine Prozession in Bewegung. Der Fokus der Massen liegt allerdings eher auf Promillezufuhr und dem Stiertreiben durch die Gassen der Altstadt mit den anschließenden Stierkämpfen.

Katastrophe für die Züchter – Segen für das Vieh

Landesweit fällt ein Patronatsfest nach dem nächsten wegen der Corona-Krise aus, von der Spanien besonders schwer betroffen ist. Da die Feste wie in Pamplona oft mit der blutigen Tradition der Stierkämpfe einhergehen, kommen die Tiere bis auf weiteres mit dem Leben davon. Sie dürfen auf den weiten Weiden Andalusiens, Kastiliens und der Extremadura friedlich weiter grasen.

Was für Züchter und den Tourismussektor eine Katastrophe bedeutet, ist ein Segen für das Vieh. 11.000 Stiere fallen in Spanien alljährlich den ungleichen Kämpfen in den Arenen zum Opfer. Seit Jahren plädiert die Tierschutzpartei Pacma für ein Verbot und prangert gleichzeitig die Unterstützung der Stierkämpfe durch Steuergelder in Höhe von angeblich 600 Millionen Euro pro Jahr an.

Was Pacma mit Appellen und Kampagnen nicht geschafft hat, hat nun Corona bewirkt. Zumindest vorerst. Unter Insidern machen sich berechtigte Zweifel breit, ob es in diesem Jahr überhaupt noch Stierkämpfe in Spanien geben wird. Das nächste Jahr dürfte dann ein Überangebot an Tieren und damit einen Preisverfall mit sich bringen, befürchten Züchter.

"Mauren und Christen"-Feste abgesagt

Unterdessen führt die Pandemie auch zur Absage von "Mauren und Christen"-Festen, von denen viele im Frühjahr steigen und auch unter Touristen populär sind. Die Feiern knüpfen an Geschichten und Legenden aus der Zeit der Glaubenskonflikte und Schlachten zwischen Christen und Muslimen im Mittelalter an. Kriegerisch geht es dabei jedoch nicht zu. Die Umzüge, bei denen verkleidete "Mauren" in Schnabelschuhen und bunten Trachten sowie "Christen" im Konfettiregen aufmarschieren, sind heute eher ein Spektakel fürs Auge.

So wie im Städtchen Alcoy, wo die Christen 1276 nur deswegen über die muslimischen Truppen triumphiert haben sollen, weil der heilige Georg helfend ins Geschehen eingriff. Der für Ende April angesetzte Termin in Alcoy ist vom Rathaus und den Veranstaltern einvernehmlich abgesagt worden. Auch in anderen Orten wie Novelda, Ibi und Xabia finden die "Mauren und Christen"-Feste nicht wie geplant statt.

Ob die Events ersatzlos gestrichen oder - abhängig vom Verlauf der Krise - nachgeholt werden, ist ungewiss. Bei manchen stehen, wie beim Fermin-Fest in Pamplona, Überlegungen zu Neuansetzungen im Spätsommer oder Herbst im Raum. Das gilt auch für das normalerweise um den 12. Mai abgehaltene Patronatsfest von Santo Domingo de la Calzada. Das Städtchen am Jakobsweg trägt den Namen eines tatkräftigen Pilgerhelfers, dessen Reliquien hier verehrt werden.

Vorbild: Pestjahre

Dass die Feierlichkeiten ausfallen oder verlegt werden müssen, ist nicht neu. Pfarrer Jesus Merino verweist auf Seuchen "vor allem in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts", dazu auf "Pestjahre" im Mittelalter. "Die Älteren hier erinnern sich daran", so Merino, "dass unser Fest zuletzt 1943 wegen einer lokalen Epidemie verschoben werden musste." Nachgeholt wurde es damals im Juni.

Das käme nun viel zu früh. "Vielleicht September oder Oktober", wagt Merino einen Ausblick, "aber es muss sich alles erst beruhigen." Klar ist: Mögliche Verschiebungen von Festen haben sich längst vom Kirchenkalender abgekoppelt. So könnte das "Johannisfeuer" von Alicante, eigentlich gekoppelt an die Johannisnacht vom 23. auf den 24. Juni, im September stattfinden. Auch gibt es Pläne, ausgefallene Karprozessionen in der zweiten Jahreshälfte nachzuholen.


Quelle:
KNA