Vernunft und Hilfe versus evangelikalen Kommerz

Stärkt Corona die Glaubwürdigkeit der Kirche in Lateinamerika?

In der Coronavirus-Krise reagieren katholische und evangelikale Kirchen in Lateinamerika sehr unterschiedlich. Ihre Entscheidungen dürften sich die Menschen merken.

Autor/in:
Von Tobias Käufer
Die "Universalkriche" Edir Macedo in Sao Paulo / © Nelson Antoine (shutterstock)
Die "Universalkriche" Edir Macedo in Sao Paulo / © Nelson Antoine ( shutterstock )

Hector Animal Gimenez genannt "Pastor Gimenez" witterte ein gutes Geschäft: In der aktuellen Coronavirus-Krise bot der evangelikale TV-Pastor seinen Gläubigen für umgerechnet 14,50 Euro ein Desinfektionsgel als Wundermittel an. Die rund 1.000 argentinischen Pesos sind für den Durchschnittsargentinier eine enorme Ausgabe und zudem völlig überteuert, wie eine Rechtsanwältin findet. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft. Das argentinische Recht sieht bei einem solchen Betrugsvergehen eine Haftstrafe zwischen 15 Tagen und einem Jahr vor.

Katholische Kirchen schließen

In der gleichen Woche ruft die Argentinische Bischofskonferenz die Politik und die Gesellschaft dazu auf, die Ärmsten der Armen in der Krise nicht zu vergessen, starten kirchliche Organisationen Hilfsaktionen. Es ist nicht der einzige Unterschied im Umgang mit der Krise. Flächendeckend schließen die katholischen Diözesen auf dem Kontinent die Kirchen, warnen ihre Gläubigen vor den Gefahren des Virus und rufen zu Solidarität auf. Selbst die "oberste Instanz" im Vatikan unterwirft sich den Empfehlungen der Wissenschaft und Medizin. Bis mindestens Ostern wird es nur noch digitale Gottesdienste geben, um die Menschen zu schützen. 

Evangelikale Kirchen weiter offen

Die evangelikale Konkurrenz sieht das anders. In Brasilien weigert sich Kirchengründer Silas Malafaia, der behördlichen Empfehlung zur Schließung seiner Kulte in Rio de Janeiro nachzukommen. Malafaia betont, dass seine Kirchen als "emotionale Krankenhäuser" angesichts der Coronavirus-Krise im Land wichtig seien. Obwohl die Behörden von Versammlungen abgeraten haben, sind landesweit viele evangelikale Kirchen weiterhin geöffnet, darunter die der "Universalkirche" von Edir Macedo sowie die "Igreja Mundial do Poder de Deus" von Valdemiro Santiago. Ähnlich verantwortungslos verhalten sich Evangelikale in den USA.

Einige der Tempel in Lateinamerika haben Kapazitäten von 5.000 bis 15.000 Personen. Jeder Gottesdienst ist auch eine Marketing-Veranstaltung, ein verstecktes Verkaufsevent. Religions-Milliardär Macedo bezeichnet die Ausbreitung des Virus als "Strategie von Satan und der Presse", um Panik zu verbreiten und äußerte Zweifel, dass das Virus gefährlich sei. 

Wem glauben die Gläubigen?

Damit sind die Fronten geklärt. Der Umgang mit der Coronavirus-Krise könnte kaum unterschiedlicher sein. In den vergangenen Jahren hat die katholische Kirche mit ihrem bisweilen behäbigen statischen Kurs gegen eine dynamische und medial überall präsente evangelikale Konkurrenz viel an Boden verloren. Zuletzt rechnete eine Prognose vor, dass in Brasilien schon in wenigen Jahren das Verhältnis kippen könnte und die Gläubigen der evangelikalen Kirchen die Mehrheit stellen könnten. 

Doch sollte sich die Coronavirus-Krise tatsächlich als die epochale Herausforderung herausstellen, für die sie alle Wissenschaftler halten, dann werden die Lateinamerikaner die Positionierung ihre Priester und Bischöfe womöglich nicht vergessen. 

Kaum Maßnahmen gegen das Coronavirus

Es ist ähnlich wie in der Politik. Brasiliens brachialer Präsident Jair Bolsonaro bekommt schon jetzt die Wut der Straße zu spüren, obwohl die Krise im Land noch gar nicht richtig angekommen ist. Er verharmloste das Virus und kritisierte den Umgang damit als Hysterie. Inzwischen schlagen die Menschen in den großen Städten auf die Kochtöpfe, um dagegen zu demonstrieren. 

In Mexiko, wo die Regierung von Präsident Andres Manuel Lopez Obrador erklärt, sie würde die Entscheidungen anderer Länder zwar respektieren, aber keine Ausgangssperren und keine restriktiven Maßnahmen gegen die persönliche Freiheit verhängen, kocht in den Sozialen Netzwerken die Wut hoch. "AMLO" wie die eigenen Anhänger den Präsidenten rufen, präsentierte stattdessen zwei Amulette als persönliche Glücksbringer. Auch daran werden sich die Mexikaner erinnern, treten die Schreckensszenarien ein, vor der alle Wissenschaftler derzeit warnen. 

Auch für Lateinamerikas Kirchen wird es ein Davor und Danach geben. Die Weichen dafür scheinen gestellt.


Quelle:
KNA
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