Caritas-Präsident: Armut nicht an falscher Stelle skandalisieren

"Grundrente löst Altersarmut nicht"

Geht die Schere zwischen Arm und Reich wirklich auseinander? Der Caritas-Präsident plädiert für eine differenziertere Betrachtung. Statt die Mittelschicht "schlechtzureden" müsse man sich Menschen in der Grundsicherung zuwenden. 

Altersarmut / © Karl-Josef Hildenbrand (dpa)
Altersarmut / © Karl-Josef Hildenbrand ( dpa )

Caritas-Präsident Peter Neher kritisiert die Skandalisierung des Themas Armut und fordert differenziertere Urteile. Mit Blick auf die häufig zitierte Schere zwischen Arm und Reich, die hierzulande immer weiter auseinandergehe, müsse man genau hinsehen, betonte Neher in einem Interview der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

"Wir müssen unterscheiden zwischen der Einkommens- und der Vermögensverteilung. In der Einkommensverteilung stagniert der Unterschied seit Jahren, aber auf hohem Niveau. Es stimmt nicht, dass hier die Schere immer weiter auseinandergeht", sagte der Caritas-Präsident.

Neher fordert Maßnahmen zur Vermögensverteilung 

Ebenfalls nicht korrekt sei die Behauptung, der Mittelschicht gehe es immer schlechter und sie nehme ab.

"Richtig ist: Wir haben seit Jahren einen relativ konstanten Anteil der Mittelschicht von 49 bis 51 Prozent an der Gesamtgesellschaft. Dennoch wird auch hier gerne der Untergang beschworen." Dies bleibe nicht folgenlos, warnte Neher.

"Wenn Sie die Mittelschicht schlechtreden, hat diese kein Empfinden mehr für diejenigen, denen es wirklich schlecht geht."

Ein Problem gebe es allerdings in der Vermögensverteilung, erklärte Prälat Neher. "Wer kein Eigentum hat oder Schulden, der wird vermutlich auch in zehn Jahren nichts haben. Wer aber 100.000 Euro Vermögen hat oder mehr, dessen Vermögen wächst."

Zusammen mit Erbschaften ergebe dies "bei der Vermögensverteilung eine dramatische Entwicklung, die sich mehr und mehr verschärft".

"Da müssen wir handeln", forderte der Caritas-Präsident. "Wo macht es Sinn, steuerlich gezielt einzugreifen? Wo können wir Maßnahmen ergreifen, um gezielt von Armut Betroffenen zu helfen?", sagte Neher.

"Grundrente löst nicht die Altersarmut"

Außerdem kritisierte Neher das von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgestellte Grundrentenkonzept. Er halte es "nicht für geeignet, das komplexe Problem der Altersarmut zu lösen".

Auch sei nicht sicher, dass "automatisch die wirklich Bedürftigen" erreicht würden. "Die Frage ist doch: Wer hat 35 Jahre ununterbrochen sozialversicherungspflichtige Zeiten?", sagte der Caritas-Präsident.

Wer wirklich die von Altersarmut Betroffenen unterstützen wolle, müsse "Menschen in der Grundsicherung in den Blick nehmen", forderte er. Beispielsweise könne die Grundsicherung aufgestockt werden", schlug er vor.


Caritas-Präsident Peter Neher im Gespräch / © Harald Oppitz (KNA)
Caritas-Präsident Peter Neher im Gespräch / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA