Ehemaliger Bundestagspräsident Jenninger gewürdigt

Staatsakt für den "christlichen Demokraten"

Bundestag und Bundesregierung haben den gestorbenen ehemaligen Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger gewürdigt. Der emeritierte Kurienkardinal Karl Kasper nannte ihn fleißig, verlässlich und bodenständig.

Staatsakt zu Ehren des gestorbenen ehemaligen Bundestagspräsidenten Jenninger / © Bernd von Jutrczenka (dpa)
Staatsakt zu Ehren des gestorbenen ehemaligen Bundestagspräsidenten Jenninger / © Bernd von Jutrczenka ( dpa )

"Wir würdigen seine Fairness, seine Haltung, seine Gradlinigkeit", sagte Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble in dem Staatsakt am Donnerstag in Berlin. Er selbst habe viel von der politischen Erfahrung des gläubigen Katholiken profitiert und seine immer "grundanständige Art" geschätzt.

Auch der emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper, der Jenninger bereits aus seiner Jugend kannte, lobte dessen politisches Wirken. Der "Demokrat aus christlicher Grundüberzeugung" sei fleißig, verlässlich, bodenständig und zugleich weltoffen gewesen. Jenninger war am 4. Januar im Alter von 85 Jahren gestorben und am vergangenen Freitag in Ellwangen beigesetzt worden.

"Junge Menschen müssen herausgefordert werden"

Schäuble und Kasper verteidigten Jenninger mit Blick auf seinen Rücktritt nach der umstrittenen Rede zum 50. Jahrestag der Novemberpogrome. Kasper ging soweit, die Rede "inhaltlich groß" zu nennen, wenn auch "rhetorisch ungeschickt" vorgetragen und damit anfällig für Missverständnisse.

Jenninger habe seinen Zuhörern in der Rede viel zugemutet, vielleicht auch sich selbst, sagte Kasper und warf die Frage auf, ob Politik nicht den Mut haben sollte, Zumutungen auszuhalten. Gerade junge Menschen dürften weder unter- noch überfordert, aber müssten herausgefordert werden.

"Jenninger wollte viel"

Schäuble sprach von einem politischen Drama. Ein politisches und immer integeres Leben sei durch das Missverständnis einer Rede zerstört worden. Das geschriebene Wort und die Wirkung des gesprochenen Wortes seien an diesem Tag auseinandergefallen. "Jenninger wollte viel, vielleicht wollte er für diesen Anlass zu viel", sagte Schäuble und fügte hinzu: "Manche wollten ihn damals aber auch nicht verstehen."

Laut Kardinal Kasper war Jenninger über die Ereignisse aber nicht verbittert, sondern verstand seinen Posten als Botschafter beim Heiligen Stuhl als Krönung seiner Laufbahn. "Der Politiker mit Herzblut und Herz" habe seine christliche Erziehung nie als Enge verstanden, sondern als Kompass und Heimat.

Rücktritt nach Rede

Der 1932 in Württemberg geborene Politiker war von 1969 bis 1990 Mitglied des Bundestages und von 1984 bis 1988 dessen Präsident. 1988 trat er nach einer Rede zum 50. Jahrestag der Novemberpogrome zurück.

Die Rede, in der er die Weltsicht und das politische Klima während des Nationalsozialismus nachvollziehbar machen wollte, wurde von großen Teilen der Öffentlichkeit als "missglücktes Gedenken" angesehen. Jenninger war anschließend von 1995 bis zur Pensionierung 1997 Botschafter beim Heiligen Stuhl. Als eines der Hauptanliegen seiner Amtszeit bezeichnete er seinerzeit den Ausbau der Beziehungen zwischen dem Vatikan und der EU.


Damaliger Parlamentspräsident Philipp Jenninger hält 1986 den originellen Schlüssel in Form eines Wasserabsperrrades / © Egon Steiner (dpa)
Damaliger Parlamentspräsident Philipp Jenninger hält 1986 den originellen Schlüssel in Form eines Wasserabsperrrades / © Egon Steiner ( dpa )
Quelle:
KNA