"Generationsbrücke"-Koordinator über ein besonderes Projekt

"Kinder als Lebenselixier"

Kinder oder Schüler treffen regelmäßig Menschen in Seniorenheimen - und beide profitieren davon. Holger Schmidtke erklärt die Hintergünde des Projekts "Generationsbrücke Deutschland."

Gemeinsam Zeit verbringen / © Generationsbrücke Deutschland
Gemeinsam Zeit verbringen / © Generationsbrücke Deutschland

KNA: Herr Schmidtke, wie kamen Sie an die Schnittstellen zwischen Alt und Jung?

Holger Schmidtke (evangelischer Religionslehrer und Koordinator der Generationsbrücke für Berlin): Schon als Pfarrer habe ich in der Sophiengemeinde in Berlin-Mitte mit Senioren gearbeitet. Später hielt ich in Pflegheimen Gottesdienste und habe mich bei der Seniorenarbeit immer gefragt, wie ältere und junge Menschen kontinuierlich zusammenkommen können. Als ich an der John-F.-Kennedy-Schule als Religionslehrer arbeitete und Vertreter der Generationsbrücke aus Aachen zu mir kamen, da hatte ich das Modell für meine Schüler. Das war ein Glücksfall.

KNA: Wie muss man sich das konkret vorstellen?

Schmidtke: Wir haben das Konzept in den Religionsunterricht hineingenommen. Das heißt, die Schule ermöglicht uns in der seniorenfreundlichen Zeit am späten Vormittag, dass wir eine Doppelstunde im Religionsunterricht dafür verwenden. 120 Schüler in neun Gruppen - ob im evangelischen, katholischen, jüdischen Religionsunterricht oder der Lebenskunde - sind in den 4. Klassen einmal im Monat dabei, wenn wir in die diversen Seniorenheime gehen.

KNA: Wie laufen diese Treffen ab?

Schmidtke: Die Schüler gehen gut vorbereitet in die Heime. Sie können vorher alle Fragen klären, die für sie wichtig sind - zum Leben im Altersheim, aber auch zu Krankheit, Demenz und Tod. Und es gibt einen ritualisierten Ablauf: Wir singen, spielen, basteln und reden miteinander. Die Treffen sind langfristig und verlässlich. So entstehen Partnerschaften in einer festen Gruppe. Es handelt sich um Formen von zukunftsweisender Pädagogik: Das ist soziales Lernen im besten Sinne. Das Überbrücken der Generationsgrenzen ist eine Antwort auf die demographischen Veränderungen in unserer Gesellschaft.

KNA: Besuchen die Schüler immer wieder die gleichen Menschen?

Schmidtke: Ja, bei den Begegnungen treffen immer wieder die gleichen Menschen aufeinander. Die Schüler sind immer sehr neugierig. Sie freuen sich, alte Menschen zu treffen und sind begierig, ihr Lebensumfeld kennenzulernen. Da sich die Paare ein Schuljahr lang treffen, entstehen natürlich persönliche Bindungen. Manche sind sogar so intensiv, dass sie über die organisierte Zeit der Generationsbrücke hinausreichen. Somit wird auch am Ende des Schuljahres das Abschiednehmen ein wichtiges Thema, das von jeden einzelnen gestaltet werden will und dann auch in der Gruppe einen Ausdruck findet. Da werden Adressen ausgetauscht, und manchmal fließen auch Tränen.

KNA: Was halten die Eltern der beteiligten Kinder von dem Konzept der Generationsbrücke?

Schmidtke: Sie stehen zu 100 Prozent dahinter und unterstützen unsere Arbeit.

KNA: Und welche Reaktionen erleben Sie bei den alten Menschen?

Schmidtke: Wenn wir mit den Schülern kommen und das Begrüßungslied für jeden einzelnen singen, sehe ich Strahlen in ihren Augen. Manchen kommen auch vor Rührung die Tränen. Dann ist einfach klar, sie freuen sich total. Einige machen sich vorher besonders schick. Da merkt man, die Begegnungen mit den Schülern bringen eine Abwechslung in den Alltag des Heims. Kinder sind ein Lebenselixier für alte Menschen, sie freuen sich und sind oft wie ausgewechselt.

KNA: Wer sind in diesem Prozess Ihre Partner?

Schmidtke: Erstens die Seniorenheime in Schulnähe und dann natürlich die Kirchen in Berlin und Brandenburg, die evangelische Kirche mit der Diakonie, die katholische Kirche mit der Caritas und die jüdische Gemeinde. Aber auch der Humanistische Verband ist bereit und offen.

KNA: Das Projekt zieht nicht nur bundesweit, sondern inzwischen über auch Landesgrenzen hinaus Kreise ...

Schmidtke: Ja. Wir hatten kürzlich Kontakt zur evangelisch-augsburgischen Gemeinde in Wroclaw (Breslau). Dort war man hellauf begeistert, denn die Gemeinde dort betreibt Heime und mehrere Kitas. Ob in Deutschland oder in Polen - wir haben das gleiche Problem. Im September startet dort die Generationsbrücke Polen.

Karl Art


Quelle:
KNA