Bruder Paulus über Blockupy-Proteste in Frankfurt

"Deren Argumente müssen gehört werden"

Brennende Autos, fliegende Steine – die Proteste bei der EZB-Eröffnung in Frankfurt am Main sind eskaliert. Der Kapuziner Bruder Paulus Terwitte verurteilt die Gewalt im domradio-Interview. Die Argumente seien allerdings richtig.

Br. Paulus Terwitte OFMCap / © Sven Moschitz (privat)
Br. Paulus Terwitte OFMCap / © Sven Moschitz ( privat )

domradio.de: Das klingt ja alles sehr wild - du lebst und arbeitest in Frankfurt. Hast du auch direkt etwas mitbekommen, von dem, was da draußen abgeht?

Bruder Paulus Terwitte (Frankfurter Kapuzinermönch): Wir müssen von sehr punktuellen Aktionen sprechen. Hier in Frankfurt Innenstadt an der Hauptwache und hier an der Liebfrauenkirche ist es absolut ruhig, kaum Besucher in der Stadt. Es gibt einige Protestpunkte, an denen einige wilde Randalierer Schlimmes seit heute Morgen vollbringen. Aber es ist die Minderheit.

domradio.de: Das sind wirklich martialische Bilder, die wir da aus Frankfurt sehen - mit was für Gefühlen siehst du diese Bilder?

Terwitte: Ich glaube, dass diese Bilder von Gewalt einfach einen Bärendienst erfüllen für die, die versuchen, ihre Argumente durchzubringen. Der Bezirksgewerkschaftsvorsitzende hier in Frankfurt hat deutlich gemacht, dass ihn das sehr stört, dass einige Protestler mit solcher Gewalt vorgehen. Denn die Argumente von ihnen können gar nicht gehört werden und das ist sehr schlimm. Bei deren Argumenten bin ich ziemlich nah bei denen, ich finde, dass deren Argumente gehört werden müssen.

domradio.de: Auch Kirchenleute unterstützen die Anliegen der Blockupy-Bewegung - wer macht da zum Beispiel mit?

Terwitte: Wir haben da ganz unterschiedliche Gruppierungen, hier in Frankfurt machen natürlich die „Ordensleute für den Frieden“ mit, Pax Christi ist unterwegs und ist natürlich auf der Seite dieser Bewegung. Wir haben Gewerkschaften, wir haben Ordensleute, die sagen, es ist ganz wichtig, dass wir dort sagen: Leute, passt auf, dass wir mit dem Geld in dieser Welt nicht die wenigen Reichen noch reicher machen und die anderen gehen leer aus. Da gibt es schon ein breites Bündnis. Es wird ja auch immer von der katholischen Soziallehre her diskutiert, dass Eigentum verpflichtet, das wissen wir alles. Aber es ist schon schade, dass gerade durch diese Gewaltbilder 10.000 Polizisten in Frankfurt im Einsatz sind. Es werden Dinge in Brand gesetzt, Scheiben zerschlagen von Leuten, die glauben, sie könnten hier Randale machen in einer Art Volksfest. Sie wenden sich, ohne es zu merken, gegen das Volk, obwohl sie ständig sagen, sie würden etwas für das Volk machen.

domradio.de: Das neue EZB-Gebäude ist eine architektonische Meisterleistung - es ist auch ein Glitzer & Glamour-Gebäude. Nach dem Willen der Erbauer soll es zu einer Ikone der Europäischen Union werden - ist es auch eine Provokation für diejenigen, die in Europa unter sozialer Ungerechtigkeit leiden? 

Terwitte: Eine Ikone für die Einheit Europas – ich finde es hanebüchen, sowas zu sagen. Denn die Einheit Europas ist immer noch in der Flagge mit 12 Sternen, einem biblischen Symbol, dargestellt. Das haben die Erfinder der Flagge sehr gut im Blick gehabt . Europa ist eine Vision des Friedens, einer Einheit, die am Ende nur Gott stiften kann. Und jetzt zu sagen, da, wo das Geld verwaltet wird, da ist eine Ikone für Europa, da kann ich nur sagen, das stimmt nicht, das ist ein Bürosilo. Und drinnen hat man hoffentlich die neueste Technik eingebaut, wo das getan werden kann, was im Dienste Europas zu sein hat. Und ob die Geldpolitik der EZB immer im Dienste Europas steht, das wird sich noch erweisen. Interessant ist, dass bei dieser Eröffnungsfeier kein einziger namhafter Politiker Europas dabei ist. Da fragt mich sich doch, wie europäisch ist eigentlich die Europäische Zentralbank?

domradio.de:  Was wir eigentlich brauchen sind natürlich keine gewaltsamen Ausschreitungen, sondern ein echter Dialog. Werden die Chancen für so einen Dialog durch eine Eskalation beeinträchtigt?

Terwitte: Ich glaube, dass beide Seiten sehen, dass sich hier wirklich Menschen mit Gewalttaten einer demokratisch-kritischen Bewegung anschließen und sie desavouieren wollen. Diese Gewalttaten sind auch ein Angriff, auf alle, die kritisch denken, finde ich. Diejenigen, die klar denken, die werden sich davon aber nicht beeindrucken lassen. Und es gibt ja auch viele katholische Bildungswerke, die immer wieder Informations- und Diskussionsveranstaltungen anbieten. Auch die Bischofskonferenz und die evangelischen Landeskirchen diskutieren immer wieder mit Politikern, wie wir mit Geld und der weltweiten Kapitalismusentwicklung so gut umgehen können, dass die Prinzipien der Solidarität und der Subsidiarität, also der Unterstützung der kleinen Gruppen, gewahrt werden. Das Geld darf die Welt nicht regieren, sondern der Mensch das Geld.

 

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR