Brasilien ist das größte katholisch geprägte Land der Welt

Nicht nur Fußball ist Religion

Religion prägt das Leben von Millionen Menschen in Brasilien, und der Glaube ist hier viel stärker emotional geprägt als etwa in Westeuropa. Gemeinde ist oft noch tatsächlich ein Ort gemeinsamen Lebens, Lernens und Teilens.

Gläubige im Bistum Obidos im Amazonas (KNA)
Gläubige im Bistum Obidos im Amazonas / ( KNA )

Die Dimensionen Brasiliens können wohl US-Amerikaner, Russen oder Kanadier besser begreifen als Deutsche. 8,51 Millionen Quadratkilometer Fläche, das ist locker das 24-fache Deutschlands.Auch die Ortskirche des fünftgrößten Landes der Welt beeindruckt mit Zahlen: 37.800 Seelsorgezentren, 20.700 Priester, knapp 9.000 Seminaristen, rund 500.000 Katecheten; knapp zwei Millionen Schüler an kirchlichen Schulen.

Die Brasilianische Bischofskonferenz zählt nicht weniger als 453 Mitglieder und das Spektrum ihrer Einstellungen ist so bunt wie das Land selbst. Rund 125 Millionen Katholiken unter 195 Millionen Brasilianern, das wären rund 65 Prozent der Gesamtbevölkerung - der Vatikan spricht gar von 163 Millionen katholisch Getauften. Damit ist Brasilien das Land mit den meisten Katholiken weltweit, gefolgt von Mexiko mit mindestens 85 Millionen.

Theologie der Befreiung

Brasilien, das ist auch das Heimatland der sogenannten Theologie der Befreiung, die seit den späten 1960er Jahren das Schicksal der Armen ins Zentrum kirchlichen Schauens, Denkens und Handelns stellt. Eine Auflistung prominenter kirchlicher Persönlichkeiten aus Brasilien liest sich wie ein "Who is who" der Befreiungstheologie: Erzbischof Helder Camara, Kardinal Paulo Evaristo Arns, die Gebrüder Leonardo und Clodovis Boff und der Spanier Pedro Casaldaliga.

Auch für den Schutz der Menschenrechte der indigenen Bevölkerung und der Umwelt steht die brasilianische Kirche: die 2005 ermordete US-Ordensfrau Dorothy Stang etwa oder "Amazonasbischof" Erwin Kräutler aus Österreich, der durch sein konsequentes Leben mit den Indios am Fluss Xingu den Staudamm-Erbauern und Großgrundbesitzern in die Quere kommt und seit Jahren Morddrohungen erhält.

Evangelikale Pfingstkirchen auf dem Vormarsch

Die heutige Bischofsgeneration, Rios Kardinal Orani Tempesta, oder Sao Paulos Kardinal Odilo Scherer, steht kirchenpolitisch deutlich weniger "links". Gleichwohl verfolgen sie teils innovative Wege in der Seelsorge. In Sao Paulo etwa baut Scherer, der zu den Favoriten bei der Papstwahl im März zählte, stark auf junge charismatische Gemeinschaften, die Zugänge auch zu den von Papst Franziskus beschworenen "Rändern der Gesellschaft" suchen.

Und neue Wege sind notwendig, denn die evangelikalen Pfingstkirchen und Sekten machen der katholischen Kirche Brasiliens zu schaffen - mehr noch als in den anderen Ländern des Subkontinents. Zwar blieb die Zahl der Katholiken in den vergangenen Jahrzehnten nahezu konstant - doch angesichts eines starken Bevölkerungswachstums bedeutet das ein Sinken des Katholikenanteils von 90 Prozent noch in den 1960er Jahren auf inzwischen etwa zwei Drittel. Laut dem Zensus von 2010 bezeichneten sich 42 Millionen Brasilianer als evangelikal; im Jahr 2000 waren es noch 26 Millionen. Im gleichen Zeitraum stagnierte die Zahl derer, die als Glaubensrichtung "katholisch" angeben.

Neue Impulse nach Weltjugendtag

Im brasilianischen Wallfahrtsort Aparecida beschloss der Lateinamerikanische Bischofsrat CELAM 2007 eine kontinentale Neuevangelisierung - also neue Wege, die katholische Botschaft zu verkünden. Aparecidas Kardinal Raymundo Damasceno Assis: "Vielleicht waren wir zu bequem geworden, und vielleicht hat uns das Wachstum der Pfingstbewegungen aufgeweckt und uns aufgerüttelt für unsere tatsächliche Mission", so der Vorsitzende der Brasilianischen Bischofskonferenz. Und neue Impulse gab im Juli 2013 der Weltjugendtag in Rio de Janeiro, als Papst Franziskus aus Argentinien auf die Jugend Lateinamerikas traf. Im Reigen der Großereignisse von Rio - WJT, WM und Olympia 2016 - rollt dort nun erst mal der Ball.

Von Alexander Brüggemann


Quelle:
KNA